Gillian Wearing
Unspoken
28. Juni – 5. August 2001
Der Kunstverein München zeigt vom 28. Juni bis 05. August 2001 die Ausstellung Unspoken mit Photo- und Videoarbeiten der britischen Künstlerin Gillian Wearing, die 1997 mit dem Turner-Preis ausgezeichnet wurde. Zum ersten Mal in Deutschland werden hiermit Wearings Werke in einer umfassenden Einzelausstellung vorgestellt. Der Titel Unspoken bezieht sich auf die verschiedenen Akte des Sprechens, die bei Wearing im Mittelpunkt stehen, aber auch auf das Unausgesprochene und Unterschwellige, das in ihren Arbeiten Ausdruck findet. Ihren Protagonisten begegnet Gillian Wearing — zufällig oder geplant — in alltäglichen Lebenssituationen. Auf hemmungslose, ironische, aber auch humorvolle Art beleuchtet die Künstlerin menschliche Gefühle, Traumata und Tabus. Ihr Vorgehen referiert dabei sowohl auf Verfahren der Sozialdokumentation und der Psychotherapie als auch auf Reality TV oder Phänomene aus der Populärkultur.
Im Zentrum von Wearings Einzelausstellung im Kunstverein München steht die Videoinstallation Sixty Minutes Silence (1996). Die Kamera beobachtet hier eine Stunde lang zum Gruppenphoto postierte britische "Bobbies". Die Beteiligten, die jedoch nur als Polizisten verkleidet sind, verharren während der gesamten Filmdauer laut- und bewegungslos — wie bei den frühen Photoaufnahmen, bei denen die Langzeitbelichtung die Portraitierten notgedrungen wie zu Skulpturen erstarren ließ. Die staatlichen Kontrollorgane, die die Autorität verkörpern, werden herausgefordert und ihrerseits einer kontrollierenden Situation unterworfen, die ihnen Selbstdisziplin und Selbstverleugnung bis zum Umfallen abverlangt. Wie ein Auslöser bringen Wearings Arbeiten Bekenntnisse über intimste Gefühle, Sehnsüchte, Obsessionen und Tabus in Gang. In ihren Photoarbeiten stellt Wearing den von ihr aufgenommenen Photographien die handschriftlichen Bekenntnisse der Portraitierten gegenüber, die zwischen Gesprächstherapie und exhibitionistischer Selbstinszenierung oszillieren. Bryan (1996) und Lynne (1993-96), zwei Menschen aus gesellschaftlichen Randgruppen, erzählen von ihren Hoffnungen für das neue Jahrtausend. Die beiden Mädchen Kelly and Melanie (1997) malen sich ihre Wunschhäuser aus, während Shine, Thomas, und Paul (alle 1998), drei aus unterschiedlichen sozialen Gruppen stammenden Personen, von ihrem Begehren einer be-stimmten Automarke berichten. My Man (2000) zeigt ein Mädchen allein auf einer Bank, im Hintergrund eine gemalte idyllische Strandszene. Mit Buntstiften in unterschiedlichen Farben geschrieben findet sich unter dem Bild ihre rückhaltlose Liebeserklärung an ihren Freund. In der Videoinstallation 10 — 16 (1997) wird die Handschrift durch die jeweils charakeristische Stimme ersetzt. Die in den Photoarbeiten vorhandene direkte Verbindung von Sprecher und Gesprochenem verschwindet hier. Wearing dekonstruiert den Wahrheitscharakter des Dokuments, indem die Stimmen der Jugendlichen mit der Mimik von Erwachsenen synchronisiert sind.
Parallel zur Ausstellung zeigt die Sammlung Goetz, München, vom 21. Juni bis 3. August 2001 Gillian Wearings Videoarbeit I love you (1996).
Mit freundlicher Unterstützung von der Kulturstiftung der Stadtsparkasse München, British Council, BMW Financial Services.