Newsletter No. 7 Part 2

Bilder / images: Installationsansicht von / installation view of Heimo Zobernig im / at Kunstverein München e.V., 1999. Courtesy Kunstverein München e.V., Foto / photo: Wilfried Petzi (links / left) / Installationsansicht von / installation view of Eintritt von / of Apolonija Šušteršič im / at Kunstverein München e.V., 2002. Courtesy Kunstverein München e.V. (rechts / right).

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Die Architektur und der festgelegte Standort des Kunstverein München wurden bereits im ersten Teil dieser Newsletter-Reihe als wiederkehrende Bedingtheiten für künstlerische und kuratorische Projekte nachgezeichnet. Ausstellungen wie Parts des Künstlers Fareed Armaly, 1997, oder die von Heimo Zobernig zwei Jahre später machen deutlich, wie konstant und vielfältig die Räume an der Nordseite des Hofgartens, die seit den 1960er Jahren vom Kunstverein genutzt werden, eingehend reflektiert, verändert und wie mit ihnen perspektivisch variierend umgegangen wurde.
Das änderte sich auch nicht in den Folgejahren, jedoch findet sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts vermehrt der Versuch, die Institution nach außen hin zu öffnen und sie auch losgelöst von ihrem festgelegten Standort zu denken. Die wachsende Aufmerksamkeit für kuratorische Formate [1] im Diskurs der zeitgenössischen Kunst, der immer globaler agierende Kunstmarkt sowie die wachsende Bedeutung der Europäischen Union eröffneten neue Möglichkeiten, die zur Hinterfragung und räumlichen Erweiterung des Gefüges Institution führten und dieses nun auch als Handlungsraum jenseits von ihrem festgelegten architektonischen Gerüst begriff. Der zweite Teil widmet sich ausgewählten Projekten des Programms der letzten zwanzig Jahre und möchte diese sowie verschiedene kuratorische Ausrichtungen der regelmäßig wechselnden Direktor*innen und dem jeweiligen kuratorischen Team aufgreifen, um einen Einblick zu ermöglichen, wie das Gebilde Kunstverein München fortan aufgebrochen und weiterentwickelt wurde.

Mit der Übernahme der Leitung rückte Maria Lind (Direktorin 2002-04) einmal mehr die Verantwortung der Institution in den Vordergrund, ihre Selbstreflexivität stets wachzuhalten und dabei auch die architektonischen, lokalen Grenzen zu überwinden. Diese Selbstreflexivität verstand sie „zwischen Museum und Galerie als verlängertes Studio in die Öffentlichkeit.“ [2] Dieser Gedanke wird in den meisten der damals realisierten Projekte ersichtlich. Ein besonderes Augenmerk legte das kuratorische Büro [3] unter Lind dabei auf die Überwindung der räumlichen Geschlossenheit, die durch den grundlegenden Umbau des Eingangsbereichs besonders zum Tragen kommt: „Im Stadtzentrum, direkt am Hofgarten gelegen, befindet sich die Institution Kunstverein München in einem Teil der Stadt, der von repräsentativen und stadtpolitischen Interessen sowie Flaniermeilen und touristischen Zielen dominiert wird. Dieser […] indiziert zugleich auch eine Erwartungshaltung an die Aktivität dieser Institution. Oder anders ausgedrückt: die räumliche Positionierung der Kunstinstitution innerhalb der Stadt und ihre architektonische Hülle spiegelt und gestaltet bereits ihr Verhältnis zu der gesamten sie umgebenden sozialen Realität mit. In Bezug auf das Publikum, und die Art und Weise, wie dieses durch die Institution mit Kunst in Verbindung gesetzt werden soll, ist neben Position, Architektur und Ausstellungspraxis das Foyer die wichtigste programmatische Aussage. [Es] bildet die Schnittstelle zwischen einer Institution und ihren [Benutzer*innen].“ [4]

Die Neugestaltung des Foyers war das erste der sogenannten Sputnik-Projektreihe, die fortlaufend neben dem weiteren Ausstellungsprogramm bis 2004 stattfand und einen Raum des Ideenaustauschs für Kurator*innen, Künstler*innen und Kritiker*innen bot, welche die Institution mitgestalten sollten: „Sputnik, aus dem Russischen übersetzt, heißt soviel wie Gefährte oder Reisebegleiter. [Der Kunstverein München baute] zu einer Reihe von Personen aus der künstlerischen und kulturellen Praxis[, darunter u.a. Jan Verwoert, Deimantas Narkevičius, Jun Yang, Lynne Cooke und Matts Leiderstam] eine Langzeit-Beziehung auf.“ [5]
Als erste ‚Sputnik‘ wurde die Architektin und Künstlerin Apolonija Šušteršič eingeladen, um „die große schlauchartige Form des großen Erdgeschossraumes, der als Foyer dient“ [6] neu zu überdenken. Šušteršič führt innerhalb ihres Werks kritische Analysen von Räumen und ihrem Umfeld durch, reflektiert dabei die „eingeschriebenen Ritualisierungen und Ideologien“ [7] und strukturiert diese mit der Absicht einer vor allem sozialen Verbesserung um.

„[D]ie Wände [wurden dabei] teilweise in Bücherregale verwandelt. Der Steinboden wurde durch capuccinofarb[en]en Hartgummibelag mit runden Noppen bedeckt. Diese Art von Bodenbelägen ist aus funktionalen öffentlichen Bereichen, wie Schule, Sportplatz oder öffentliche Verkehrsmittel bekannt. [So verkörpert er] im Gegensatz zum galerieartigen Betonboden […] Nutzung und alltäglichen Gebrauch. Auch werden Geräusche […] gedämmt; denn Hellhörigkeit trägt immer zur Autorität eines Raumes bei, indem sie die Bewegungen und Handlungen der [Benutzer*innen] akustisch überträgt. Die bislang vorhandene Bestuhlung mit Sitzschalen aus weißem Holz wurde komplett mit einem orangefarbenen Stoff und darunter liegendem Schaumstoff ausgekleidet.“ [8] (s. Abb. rechts) Zusätzlich wurde der Eingangsbereich mit einer mobilen und einklappbaren Bar, einer Magnetwand sowie einem Fernseher versehen. Die Farbauswahl verhalf dem Raum zu einer optischen Schrumpfung, die zu mehr Wohlgefühl beitragen sollte, genauso wie die bereitgestellten Liegestühle. Auf das Moment der Entspannung als Gegenmodell zum ungebremsten Produktivitätsdruck in der Kunstwelt stößt man innerhalb Apolonija Šušteršičs Werk immer wieder. „[Ihre] Praxis kann als Umsetzung einer ‚Politik im Raum‘ beschrieben werden. Ein ‚transdisziplinärer‘, kooperativer Ansatz als solcher ist bei der Analyse so unterschiedlicher Kontexte wie dem städtischen Leben, Kunstmuseen und anderen Institutionen und sozialen Räumen absolut unerlässlich. Die künstlerische Forschung von Šušteršič verbindet Theorie und Praxis, um eine Methode der Reflexion zu verfolgen, bei der eine momentane Situation der Kritik dazu führt, konstruktive Alternativen und Hoffnungsräume zu aktivieren.“ [9]

Das Foyer wurde so zu einem Raum für Austausch und Begegnung, der die Handlungen der Institution einsehbar machte und einen unmittelbaren Verbindungspunkt zwischen innen und außen herstellte. Hier traf man sich, führte Gespräche, las und arbeitete. Auch die Mitarbeiter*innen des Kunstvereins waren in diesem Raum präsent und zugänglich. Das unterstützte eine andere Wahrnehmung für die Unternehmungen des Kunstverein München, die eben auch durch die Transparenz der täglichen Arbeit der Mitarbeiter*innen evoziert wurde. Die größere Sichtbarkeit und die Öffnung des Foyers war der erste Schritt, um die Begrenztheit der Institution durch Mobilität von Kommunikation aufzubrechen und zu überwinden.

Die Kurator*innen und Šušteršič dachten aber noch weiter und planten die Versetzung der gläsernen Eingangstür hin zur Seite des Hofgartens. Dadurch würde sie sich „dem beliebtesten Gehweg aller [Spaziergänger*innen] zuwenden, der zwischen Hofgarten und Kunstverein wie eine beidseitige durchlässige Membran liegt: den Arkaden.“ [10] Es blieb bei der Idee und wurde nie realisiert. Weitere Umbaupläne unter Maria Lind, wie die Nutzung des Dachstuhls als Künstler*innenhotel, konnten nicht umgesetzt werden. [11] Dennoch löste die neue „lobbyartige Raumsituation“ [12] den davor eher als Durchgangsraum empfundenen Eingangsbereich ab und bot auch für die darauffolgenden Sputnik-Projekte und die Teilnehmer*innen, die das Gefüge der Institution immer wieder neu und über längere Zeit belebten, beäugten, störten und reflektierten, einen Aufenthaltsort. Die Lobby, wie sie in dieser Zeit genannt wurde, entwickelte sich zum Ankerpunkt des ihr selbst zugrundeliegenden kuratorischen Gestus.

Maria Linds Überlegungen zur Überwindung der institutionellen Grenzen fußten vor allem auf der Bedeutung von Austausch, aber auch auf der Bewusstwerdung von Zeitlichkeit als Möglichkeit einer gegenwärtigen und bewussteren Wahrnehmung der Aktivitäten des Kunstvereins. Nicht nur die Sputnik-Projekte, die auf eine jahrelange Auseinandersetzung der eingeladenen Teilnehmer*innen ausgelegt waren, nutzte den Faktor Zeit, auch die Retrospektive Christine Borlands setzte auf ein größeres zeitliches Fenster: Von April 2002 bis April 2003 zeigte die in acht Stationen [13] gegliederte Ausstellung sukzessiv Werke der Künstlerin und präsentierte sie zudem an unterschiedlichen Orten im Gebäude. Die Werke eroberten ungeahnte Winkel der Architektur als Präsentationsfläche, wie die Garderobe, den Nebenraum des Mezzanins, der heute als kuratorisches Büro genutzt wird, die Lobby und das bis dato noch kaum für Ausstellungen in Betracht gezogenen Schaufenster. [14] So wurde dem dichten und komplexen Werk eine rezeptiv-adäquate Präsentation ermöglicht, die zudem die Architektur vollständig eroberte. Die achte und letzte Station mit dem Titel A Place Where Nothing Has Happened [Ein Ort an dem nichts passiert ist] löste sich komplett von den architektonischen Räumen und wurde auf dem Gelände der Akademie der Bildenden Künste inszeniert und ausgestellt. Borland entlehnt ihre Methoden „aus einem weiten disziplinären Spektrum – der Archäologie, Ethnologie, Kriminologie, der Medizin und den Naturwissenschaften – auch, indem sie Spezialist[*innen] aus diesen Fächern an ihren Arbeiten beteiligt.“ [15] Zusammen mit einem Beamten der Münchner Polizei wurde dieses öffentlich zugängliche Areal als ein Tatort behandelt und untersucht: sämtliche Hinterlassenschaften, wie Zigarettenstummel, Müll oder Fußspuren wurden dokumentiert und in einem nahe platzierten Baucontainer klassifiziert und ausgestellt. Damit endete die Retrospektive im offenen Stadtraum.

Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie eine Institution auch unabhängig von ihrer festgelegten Architektur und ihrem Standort agieren und in Erscheinung treten kann, verdichtete sich in den 2000er Jahren. Die Künstlerin Carey Young schuf als ‚Sputnik‘ parasitäre Interventionen und irritierte damit die Marketing- und Kommunikationsstrukturen des Kunstverein München mit revolutionären Aufrufen. Die dafür neuproduzierte Videoarbeit The Revolution is us! [Die Revolution sind wir!] wurde zwischen dem 16. und 21. Januar 2004 auf den Infoscreens an neun U-Bahnstationen in München, darunter der Hauptbahnhof, das Sendlinger Tor, der Odeonsplatz und der Marienplatz [16], und im Schaufenster am Hofgarten gezeigt. Young untersucht in ihrer Arbeit Strukturen, die durch den kapitalistischen Motor geschaffen wurden und die Gesellschaft tiefgreifend beeinflussen und kontrollieren. Ihre Erfahrung als Consultant in einer international agierenden Unternehmensberatung nutzt sie entsprechend für ihre künstlerische Praxis und „verhält sich dabei wie ein Chamäleon, in rascher Bewegung zwischen zwei Welten, die man traditionellerweise gern getrennt hält: Kunst und Wirtschaft.. Aber um das System von innen einwirken zu können, benötigt man Fachwissen.“ [17] Young formuliert in ihren Videos, Performances und Ready-Mades aus dem Wirtschaftsbereich eine Kritik an der klassischen Institutionskritik und sucht nach anderen Formen, wie durch ihre Nutzung der Infoscreens erkennbar wird. Diese als Medium der Informationsvermittlung getarnten Werbeträger im öffentlichen Stadtraum fügen sich durch die formale Nachahmung der bereits vorhandenen Posterflächen perfekt ein und suggerieren dadurch eine vermeintliche Zurückhaltung, die sie medial nicht einhalten. Carey Young entwickelte mehrere Arbeiten, die sie zwischen 2002 und 2004 realisierte. The Revolution is us! verdeutlicht besonders die partielle physische Trennung von der gewohnten Ausstellungsfläche, denn sie hielt durch die zusätzliche Miteinbeziehung des Schaufensters am Hofgarten die Verbindung zur Architektur des Kunstvereins aufrecht und schuf damit eine Verlagerung in ein Außen, die gleichzeitig die architektonische Hülle der Institution im Blick behielt.

Die Auslotung der räumlichen Grenzen einer Institution findet sich in weiteren wichtigen Projekten unter Maria Lind, darunter besonders die Ausstellung Total Motiviert - Ein Soziokulturelles Manöver, welcher die Überlegungen zum Ausstellungsraum und damit zur Ausstellung an sich als Grenzform vorausgehen und dabei drei metaphorische Raumkonzepte – Blase, Grenze und Verdopplung [18] – einbezieht, die sich der Frage widmen, welche Räumlichkeiten welche Diskurse produzieren und welche Diskurse in welchen Räumlichkeiten stattfinden. [19] „Die Frage nach der räumlichen Performanz des Ausstellungsraumes setzt sich auseinander mit den Möglichkeiten der Erfahrbarkeit und der Dialogizität des kontextuellen Rahmens: des institutionellen Raumes, des künstlerischen Raumes und des Handlungsraumes für Künstler[*innen] und Partizipierende/Besucher[*innen].“ [20] Das Zusammenspiel dieser komplexen Komponenten wurde in dieser Zeit immer bewusster gemacht und fand Einzug in den Diskurs der zeitgenössischen Kunst. Bis heute prägen diese Gedanken das Ausstellungmachen.

Die immer globaler werdende Kunstwelt verlangte den Institutionen eine größere Sichtbarkeit ab, ermöglichte dabei geografische Erweiterungen durch neue kuratorische Formate und ließ sie international agieren. Stefan Kalmár (Direktor 2004-09) ermöglichte dem Kunstverein mit der Etablierung des Projektraums Ludlow 38, der 2008 zusammen mit dem Goethe Institut unter Leitung von Stephan Wackwitz ins Leben gerufen wurde, eine größere Internationalität und brachte so das Modell Kunstverein nach New York. [21] In den ersten drei Jahren bot Ludlow 38 den Institutionen Kunstverein München, European Kunsthalle und Künstlerhaus Stuttgart die Möglichkeit der einjährigen partiellen geografischen Auslagerung ihres jeweiligen Programms. Die Integration dieser Institutionen in die New Yorker Kunstszene fand zu einem Moment statt, in dem der deutschen Kunstlandschaft besondere Aufmerksamkeit in den USA geschenkt wurde; die Institutionen konnten sich in eine lebendige, aber auch geozentristische und privilegierte Kunstszene einfügen. Im Jahr 2011 wurde die Rolle des Raums neu überdacht, der von nun an bis 2019 jungen Kurator*innen ein einjähriges Residenzprogramm in der Kulturmetropole ermöglichte. Mit dem Projekt Talk/Show, das bereits 2007 in Kooperation mit tranzit [22] entstand, verortete sich das Programm des Kunstvereins sechs Wochen lang vollständig in Bratislava. Dorthin wurden 16 internationale Künstler*innen und Kulturschaffende für einen Vortrag an die Akademie der bildenden Künste und Design, Bratislava eingeladen. Zusätzlich wurde in einem Workshop eine Ausstellung erarbeitet, die aus Werken bestand, welche die Vortragenden beisteuerten. Zusammen erforschten die Teilnehmer*innen, die in unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen arbeiteten, kulturelle Verhandlungsräume abseits ökonomisierter Institutionen. Ausgehend von der urbanen Situation in Bratislava, suchte man nach Gemeinsamkeiten mit anderen westlicheren, europäischen Städten, die in dieser Zeit von wachsender Ökonomisierung, Privatisierung und Kommerzialisierung von öffentlichen und diskursiven Räumen betroffen waren. Beide Beispiele formulieren eine Loslösung von der festgelegten Architektur des Kunstvereins und denken die Institution auch als standortunabhängigen Raum. Dieses Projekt lässt nachvollziehen, wie sich Institutionen der neuen Möglichkeit einer größeren Reichweite bewusst wurden, sich dadurch neu ausrichteten und sich ungewohnten Anforderungen und Verantwortungen stellten, die nicht nur über die programmatische Ausrichtung ablesbar wurden, sondern sich auch durch eine neue Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit äußerten.

Fast gegensätzlich dazu erscheint das Schaufenster am Hofgarten. Hier trifft das Innen der Architektur auf seine unmittelbare Umgebung, sei es die zentrale Lage im Stadtkern oder die unmittelbare künstlich hergestellte Natur des Hofgartens sowie die Interaktion mit Passant*innen. Die lokale Gebundenheit spiegelt sich wie nirgendwo sonst an diesem Ort wider. Dennoch entsagt er sich auf spannende Weise der institutionellen Begrenzung und wurde zu einem Ausstellungraum, der unabhängig von Öffnungszeiten und Eintrittskarten jederzeit einsehbar ist. Mit Ausnahmen vereinzelter Projekte wie das bereits genannte von Borland, blieb das Schaufenster bis 2015 ein eher sporadisch genutzter Ausstellungsraum. Die Projektreihe The Local Contemporary, die in München arbeitende Designer*innen und Fotograf*innen wie Fritz Beck, Jonathan Mauloubier und Charlotte Talbot einlud, sah dessen Potenzial vor allem aufbauend auf dem Begriff des Flâneurs/ der Flâneuse [23], was durch die mit dem Schaufenster interagierenden Installation Replica der Designer*innen Ayzit Bostan und Gerhardt Kellermann verstärkt wurde. Darin wurden nach Vorbild des venezianischen Markusplatz die Bögen des nördlichen Arkadengangs mit Vorhängen versehen.

Diese bis dato noch ungewohnte Ausstellungsfläche wurde schließlich ab 2015 unter der Leitung von Chris Fitzpatrick (Direktor 2015-19) als im Verhältnis zu den Räumen im ersten Obergeschoss gleichwertiger Präsentationsraum für Ausstellungen gedacht und wird seither kontinuierlich bespielt. Ausstellungen, wie die von Jochen Lempert oder Juha Peka Matias Laakkonen reflektierten die Künstlichkeit der umliegenden Natur. Die einjährige Ausstellungsreihe Theatre of Measurements zeigte 2017 künstlerische Positionen, deren Werke nebeneinander und aufeinander aufbauend präsentiert wurden. Diese beschäftigten sich thematisch mit der Interaktion von Messinstrument sowie dem zu messenden Gegenstand und wurden in eine Szenografie des Künstlers Jonas von Ostrowski eingebettet, welche einen Zusammenhang mit architektonischen und gestalterischen Elementen des Hofgartens herstellte und die unmittelbare Umgebung bewusst machte. Unabhängig von dieser einjährigen Serie blieb das Schaufenster am Hofgarten bis 2019 Präsentationsfläche für Einzelpositionen oder war verbunden mit umfangreicheren Ausstellungen und Projekten, die sich über mehrere Räume des Kunstvereins ausbreiteten, darunter Lydia Ourahmane, Brud, Habima Fuchs und Radio80000. Ein Großteil der im Schaufenster gezeigten Arbeiten waren Neuproduktionen der Künstler*innen. Aktuell wird hier unter dem Titel Schaufenster eine Onsite- und Online-Serie präsentiert, welche die beiden permanent zugänglichen Räume der Institution miteinander verknüpft – das Schaufenster am Hofgarten und die Webseite. Damit artikuliert das Format neben der Möglichkeit, es weiterhin am Standort der Institution einsehen zu können, auch eine Unabhängigkeit von institutioneller Gebundenheit und öffnet sich zudem der*m nicht physischen Besucher*in.

Verstärkt arbeitete das kuratorische Team [24] unter Chris Fitzpatrick an der Enthierarchisierung der Ausstellungsräume- und -formate, nutzte wieder verstärkt das Foyer als Raum für Ausstellungen und veränderte dabei auch die Architektur, um neue Räume zu schaffen. Künstlerische Arbeiten wie Adult/Female von Nina Beier oder Insuline von Erik Thys, drangen in diesen Jahren parasitär in ungewöhnliche Räume, wie beispielsweise den Kühlschrank oder den Anrufbeantworter vor. Die Etablierung des Kinos in einem der Ausstellungsräume in der ersten Etage ermöglichte neben einem Fokus auf Bewegtbild zudem Kooperationen mit lokalen Kulturprogrammen, wie beispielsweise dem Dok.Fest, dem Queer Filmfest oder dem Literaturformat meine drei lyrischen ichs. Das Kino war darüber hinaus von 2016 bis 2019 ein lebhafter Ort für Veranstaltungen, Kooperationen und Gesprächsformate wie Symposien, Künstler*innengespräche und die alljährliche Mitgliederversammlung.

Seit 2017 wurde das Archiv verstärkt Teil der institutionellen Arbeit und ist besonders von der fundierten, wissenschaftlichen Aufarbeitung von Theresa Bauernfeind geprägt. In Hinblick auf das bevorstehende 200-jährige Jubiläum in 2023 erfährt das Archiv des Kunstverein München unter der neuen Leitung von Maurin Dietrich (Direktorin seit Juli 2019) und dem kuratorischen Team [25] gesteigerte Aufmerksamkeit. Der Kinoraum wich nun dem neuen Archivraum, der im Februar dieses Jahres eröffnete und vom Künstler Julian Göthe in Auseinandersetzung mit den architektonischen Gegebenheiten des Kunstvereins gestaltet wurde. Damit ist für das Archiv ein konkreter und zugänglicher Ort innerhalb der Institution geschaffen worden. Die oft unmerklich passierende Archivarbeit wird nun freigelegt und die Einsicht von Publikationen und Archivalien von 1969 bis in die Gegenwart ermöglicht. Neben mehr Sichtbarkeit wird auch der Umgang mit dem Archiv in Form von kuratorischen, künstlerischen und vermittelnden Projekten und Veranstaltungen erfahrbar werden. Damit ist hier ein Ort der Begegnung geschaffen, der sowohl räumliche als auch programmatische Verknüpfungen von Geschichte und Gegenwart zulässt und erstmals gemeinsam in Erscheinung treten lassen kann.

Die regelmäßige Umfunktionierung der Räumlichkeiten wie sie jüngst die Etablierung des Archivraums darstellt, aber auch der zu beobachtende Perspektivenwechsel auf den Standort und die Architektur des Kunstverein München, verdeutlicht seit seinem Einzug in das Gebäude am Hofgarten die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, die der Architektur zugunsten kuratorischer und künstlerischer Entscheidungen abverlangt wird. Reflexionen darüber, ob und wie die Institution auch als körperloses Gefüge agieren kann und sich dabei stets auf neue Weise ihrem eigenen Handlungsraum bewusst wird, können in den hier aufgezeigten Beispielen nachempfunden werden. Dabei wird deutlich wie viele dynamische Komponenten hier zusammenspielen, welche die festgelegte Architektur kontinuierlich durchdringen und neu bewerten, und sie damit auch aus ihrer Autorität und den damit einhergehenden Hierarchien zu befreien vermögen. Die große Aufmerksamkeit für zeitgenössische Kunst sowie die wachsende globale Vernetzung erforderte und ermöglichte die Dezentralisierung der Institutionen und vergrößerte so ihren Handlungsraum und damit ihre Sichtbarkeit, was wiederum mehr Verantwortung und Weitsicht erforderte. Die Auseinandersetzung mit der städtischen Einbettung floss trotz der vermehrten Versuche, das Programm der Institution von seinem konkreten Standort zu lösen, unaufhörlich in die kuratorischen und künstlerischen Überlegungen ein, und bildet darüber hinaus oft den Ausgangspunkt für institutionelle Programmatiken, die immer auch mit aktuellen Diskursen einhergehen.

Text: Christina Maria Ruederer
Übersetzung und Lektorat: Adrian Djukic, Gloria Hasnay und Christina Maria Ruederer
Bei Fragen zum Martina Fuchs Archiv wenden Sie sich gerne an Adrian Djukic über archiv@kunstverein-muenchen.de.

Anmerkungen:
[1] Darin eingeschlossen sind auch kuratorische Formate, die nicht nur von Kurator*innen geschaffen wurden, sondern auch von Künstler*innen und weiteren Kulturschaffenden.
[2] Kuhn, Matthias: Wir sind kein Parkhaus für Objekte. Der Kunstverein wird 180 – Zeit, für einen längst fälligen Besuch, in: go 6 (2003), S. 80.
[3] Das kuratorische Team unter Maria Lind bestand aus Ana Paula Cohen (2003), Søren Grammel (2002-04), Julienne Lorz (2004), Tessa Praun (2003) Katharina Schlieben (2002-03) und Judith Schwarzbart (2003-04).
[4] Grammel, Søren: Eintritt. Zum Umbau des Foyers, in: Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne u.a. (Hrsg.): Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters, Kunstverein München, München 2004, S. 28-31, hier S. 28.
[5] Schlieben, Katharina: Wohin die Reise geht…, in: Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne u.a. (Hrsg.): Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters, Kunstverein München, München 2004, S. 24-27, hier: S. 24.
[6] Grammel 2004, S. 30.
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9] Webseite der Künstlerin Apolonija Šušteršičs, https://apolonijasustersic.com/about/publications/ [30. 3. 2020]
[10] Grammel 2004, S. 31.
[11] Die sorgfältige Dokumentation der Projekte und der kuratorischen Arbeit, die ihre eigene Transparenz anstrebte, lässt auch Einblicke in unrealisierte Projekte und Ausstellungen zu, wodurch der größere Zusammenhang erkennbar wird. Vgl. dazu: Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne u.a. (Hrsg.): Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters, Kunstverein München, München 2004.
[12] Grammel 2004, S. 31.
[13] Vgl. dazu: Lind, Maria: Ausdehnung in der Zeit. Eine Retrospektive mit Christine Borland, April 2002 – April 2003, in: Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne u.a. (Hrsg.): Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters, Kunstverein München, München 2004, S. 90-96 und 114-127, hier: S. 115.
[14] Die Installation Inside Pocket [Innentasche] nutzte zwei der Schaufenster als Ausstellungsfläche, darunter das seit 2015 durchgehend für Ausstellungen genutzte Schaufenster am Hofgarten sowie das benachbarte Fenster des Büroraums im Erdgeschoss.
[15] Lind 2004, S. 90.
[16] Webseite der Künstlerin Carey Young: http://www.careyyoung.com/philippe-parreno-carey-young [12.04.2020]
[17] Lind, Maria: Alles von Innen, in: Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne u.a. (Hrsg.): Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters, Kunstverein München, München 2004, S. 33-34, hier: S. 33.
[18] Schlieben, Katharina: Ausstellungsraum Per-form: Grenzfall, in: Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne u.a. (Hrsg.): Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters, Kunstverein München, München 2004, S. 161-163, hier: S. 161.
[19] Ebd.
[20] Ebd.
[21] Vgl. dazu: Maier, Tobi; Lotz, Antonia; Kalmár, Stefan u.a. (Hrsg.): The first 3 years of Ludlow 38, Leipzig/New York, 2011.
[22] tranzit ist ein Netzwerk von Bürger*innenvereinigungen, die unabhängig voneinander im Bereich der zeitgenössischen Kunst in Österreich, der Tschechischen Republik, Ungarn, der Slowakei, Rumänien und über die Grenzen eines größeren Europas hinweg arbeiten. Hauptziel ist es, emanzipatorische Praktiken zu unterstützen und zu artikulieren, Verbindungen zwischen Kultur und Gesellschaft herzustellen, indem es sich über Geographien, Generationen und politische Bereiche hinwegbewegt. Vgl. dazu: Webseite von tranzit, https://www.tranzit.org [20.4.2020]
[23] Flâneur / Flâneuse: aus dem Französischen von flâner, zu deutsch schlendern, flanieren, umhertrödeln, meint den/die männlichen/weibliche Stadtspaziergänger*in, Schlenderer, Tagedieb*in, aber auch Faulenzer*in. Der lange Zeit ausschließlich männliche Flâneur ist eine literarische Figur aus dem 19. Jahrhundert, die besonders im Werk des Dichters Charles Baudelaire (1821-68) präsent ist und den damaligen Zeitgeist des Urbanismus und der Moderne nachempfinden lässt. Bei Baudelaire ist dieser als umherziehender, dandyhafter Künstler charakterisiert, der im Vorübergehen Entdeckungen macht und dabei die Gesellschaft reflektiert. Auch Walter Benjamin (1892-1940) griff den Begriff auf und sah in ihm mehr den städtischen Beobachter, Voyeur, Melancholiker und Verdächtigen zugleich, der die Geheimnisse und verborgenen Charakteristiken der modernen Gesellschaft entschlüsselt. Der Begriff des Flâneur sah weit bis ins 20. Jahrhundert keine weibliche Form vor. Im Werk Baudelaires ist als weibliche Stadtteilnehmerin nur die Passante zu finden, die Vorübergehende, was allerdings in diesem zeitlichen Kontext als Sexarbeiterin oder Bedienstete zu verstehen ist und keinesfalls das Pendant zur Figur des Flâneurs darstellte. Erst im 20. Jahrhundert wurde auch die Frau zur Teilnehmerin und Beobachterin des urbanen Lebens, man denke bspw. an Virginia Woolf. Ab den 2000er Jahren setzte sich langsam die gängige Bezeichnung Flâneuse durch.
[24] Das kuratorische Team unter der Leitung von Chris Fitzpatrick bestand aus Post Brothers (2016-19), Sarah Donderer (2016-17), Nina Gscheider (2015-16) und Christina Maria Ruederer (seit 2017).
[25] Unter der Leitung von Maurin Dietrich ist das kuratorische Büro mit Gloria Hasnay (seit 2019) und Christina Maria Ruederer besetzt.

- English version -

In the first part of this newsletter series, the architecture and the fixed location of Kunstverein München were already outlined as recurring conditionalities for artistic and curatorial projects. Exhibitions such as Fareed Armaly’s Parts in 1997 or Heimo Zobernig’s solo exhibition two years later demonstrate how constantly and diversely the spaces on the north side of the Hofgarten, which have been occupied by the Kunstverein since the 1960s, have been reflected upon, changed, and dealt with in varying perspectives. This did not change in the following years, but since the beginning of the 21st century there has been an increasing attempt to open the institution to the outside and to think about it independently from its set location. The growing attention paid to a variety of curatorial formats [1] in the discourse of contemporary art, the ever more globally operating art market, and the growing importance of the European Union opened up new possibilities, which led to the questioning and spatial expansion of the institution as such and now also understood it as a space for action beyond its fixed architectural framework. This second part is dedicated to selected projects from the artistic program of the past twenty years and would like to take these as well as various curatorial orientations of the regularly changing directors and the respective curatorial team in order to provide an insight into how the structure of the institution has been deconstructed and further developed.

With the appointment of Maria Lind (Director 2002-04) as director, the institution’s responsibility to keep its self-reflexivity constantly awake, while at the same time overcoming architectural, local boundaries, once more took center stage. She understood this self-reflexivity “between museum and gallery as an extended studio into the public.” [2] This idea is evident in most of the projects realized at that time. The curatorial bureau [3] under Lind paid particular attention to overcoming the spatial cohesion, which is brought to bear by the fundamental redesign of the entrance area: “The Kunstverein München is located in the centre of town, right next to the Hofgarten, in a part of the city, which consists mainly of sightseeing attractions and places to stroll, and is dominated by the political and prestige interests of the city. It […] also gives some indication of the expectations placed on the institution’s activities. In other words: from the very start, the location of this art institution within the city and its architectural shell, reflects and shapes its relationship towards the entire social environment surrounding it. This also includes the question as to who the space can be intended for. In addition to its site, architecture, and exhibition activities, the foyer conveys the Kunstverein’s most important message, its agenda with respect to its visitors and the way art should be introduced to them. [It] creates an interface between the institution and its users.” [4]

The redesign of the foyer was the first of the so-called Sputnik series, which took place continuously alongside the other exhibition program until 2004 and provided a space for curators, artists, and critics to exchange ideas and help shape the institution: “The word Sputnik, translated from the Russian, literally means partner or travelling companion. The Kunstverein […built up] long-term relationships with a number of individuals in the art and cultural scene[, including Jan Verwoert, Deimantas Narkevičius, Jun Yang, Lynne Cooke, and Matts Leiderstam among others].” [5] As the first ‘sputnik,’ architect and artist Apolonija Šušteršič has been invited to rethink “the tunnel-like form of the ground floor, which serves as a foyer.” [6] Within her work, Šušteršič carries out critical analyses of spaces and their surroundings, reflecting on the “inscribed rituals and ideologies”[7] and restructuring them with the intention of a primarily social improvement.

“[T]he walls have therefore been turned into bookshelves. The stone floor has been covered with a capuccino-coloured, studded rubber flooring. This type of industrial flooring is similar to that found in other functional public spaces such as schools, sport centers, and public transportation vehicles; it reflects an everyday rather than an aesthetic purpose. It is better at muffling the sound; [for clairaudience always contributes to the authority of a space in which it acoustically transmits the movements and actions of users.] The bucket-seat chairs, which are made of wood and aluminum and were previously painted white, have been covered with foam and orange fabric.” [8] (see fig. right) In addition, the entrance area was equipped with a mobile and collapsible bar, a magnetic wall and a television. The choice of colors allowed the space to visually shrink, which was intended to contribute to a feeling of well-being, as were the deckchairs provided. The element of relaxation as a counter-model to the unrestrained pressure of productivity in the art world appears repeatedly within Apolonija Šušteršičs work. “A ‘transdisciplinary,’ collaborative approach as such, it is absolutely indispensable when analyzing contexts as variegated as urban life, art museums, and other institutions and social spaces. Apolonija Šušteršič’s artistic research combines theory and practice to pursue a method of reflection in which a momentary situation of critique leads to activate constructive alternatives and spaces for hope.” [9]

The foyer thus became a space for exchange and encounter, making the institution‘s engagements visible and establishing a direct link between inside and outside. This was where people met, had conversations, read and worked. The staff of the Kunstverein were also present and accessible in this space. This supported a different perception of the activities of Kunstverein München, which was also evoked by the transparency regarding the daily work of the team. The greater visibility and opening of the foyer were the first step towards breaking up and overcoming the spatial limitations of the institution through the mobility of communication.

The curators and Šušteršič thought further ahead and also planned to move the glass entrance door to the side of the Hofgarten. “The Kunstverein’s new entrance […] would then face the most popular path taken by people walking the garden, which lies between the Hofgarten and the Kunstverein like a membrane permeable from both sides: the arcades.” [10] It never went beyond the idea and remained unrealized. Further reconstruction plans under Maria Lind, such as the use of the roof truss as an artists’ hotel, failed to be implemented. [11] Nevertheless, the new “lobby-like room situation” [12] replaced the previous perception of the entrance area as a passageway. It now also offered a place to stay for the subsequent Sputnik projects and the participants, who repeatedly revived, observed, disturbed, and reflected on the structure of the institution over a long period of time. The lobby, as it was called during this period, developed into the anchor point for the underlying curatorial stance.

Maria Lind’s considerations on overcoming institutional boundaries were based primarily on the importance of exchange, but also on the awareness of temporality as a possibility for a more contemporary and more conscious perception of the Kunstverein’s activities. Not only the Sputnik projects, which were conceived as a year-long discussion among the invited participants, made use of the factor of time. Christine Borland’s Retrospective also focused on a larger time frame: from April 2002 to April 2003, the exhibition, which was divided into eight ‘stations’ [13], successively displayed works by the artist and also presented them at various locations in the building. The works conquered unexpected niches of the building as a presentation space, such as the cloakroom, the space adjacent to the mezzanine, which is now used as the curatorial office, the lobby, and the window display [14], which until then had rarely been considered for exhibitions. This enabled the dense and complex work to be presented in a manner appropriate to its receptivity, which also fully occupied the architecture. The eighth and final part, entitled A Place Where Nothing Has Happened, completely detached itself from the architectural spaces and was staged and exhibited on the grounds of the Academy of Fine Arts, Munich. Borland “borrows methods from a wide range of disciplines: – archeology, ethnology, criminology, medicine, and science – involving people directly from these disciplines” [15] Together with an officer of the Munich police, this publicly accessible area was treated and examined as a crime scene: all legacies, such as cigarette butts, garbage or footprints were documented and classified and exhibited in a nearby construction container. Thus, the Retrospective ended in the open urban space.

The exploration of the question of how an institution can also operate and appear independently of its fixed architecture and location intensified in the 2000s. As a ‘sputnik,’ the artist Carey Young created parasitic interventions and thus irritated the marketing and communication structures of Kunstverein München with prorevolutionary appeals. The newly produced video work The Revolution is us! was shown between January 16 and 21, 2004 on the so-called ‘infoscreens’ at nine subway stations in Munich, including the central station, Sendlinger Tor, Odeonsplatz, and Marienplatz [16] as well as in the window display at the Hofgarten. In her work, Young investigates structures created by the capitalist motor that profoundly influence and control society. She accordingly uses her experience as a consultant in an internationally operating management consultancy for her artistic practice and “behaves like a chameleon, moving swiftly between the two worlds, which are traditionally understood to best stay apart: art and business. But in order to affect a system from the inside, one needs to have special knowledge.” [17] In her videos, performances, and ready-mades from the business world, Young articulates a criticism of the what can be called traditional institutional critique and searches for other forms, as becomes apparent through her use of the ‘infoscreens.’ These advertisement tools in the public urban space, disguised as a medium for conveying information, fit in perfectly by formally imitating the already existing poster spaces. In doing so, they suggest a supposed reservation which they do not maintain in terms of their media. Carey Young produced several works which she completed between 2002 and 2004. The Revolution is us! especially emphasizes the partial physical separation from the accustomed exhibition space, as it maintained the connection to the architecture of the Kunstverein through the additional inclusion of the window display at the Hofgarten, thus creating a shift to an outside space while at the same time keeping an eye on the architectural shell of the institution.

The exploration of the spatial boundaries of an institution can be found in other important projects under Maria Lind, most notably the exhibition Total Motiviert – Ein Soziokulturelles Manöver [Totally Motivated – A Socio-Cultural Manoeuver]. This project was preceded by reflections on the exhibition space and hence on the exhibition itself as a transborder form, incorporating three metaphorical concepts of space— Bubble, Borders and Doubling [18]—that are dedicated to the question of which spaces produce which discourses and which discourses take place in which spaces. [19] “The question as to the spatial performance of an exhibition space examines the possibility of experience and dialogue within a contextual framework of institutional space, artistic space, and the sphere of activities for artists and participants/visitors.” [20] The interplay of these complex components was made more and more aware during this time and entered the discourse of contemporary art. To this day, these thoughts continue to shape exhibition making.

The ever more global art world demanded a greater visibility from the institutions, enabling geographical expansion through new curatorial formats and allowing them to operate on a global scale. Stefan Kalmár (Director 2004-09) made it possible for the Kunstverein to gain a greater international profile by founding the project space Ludlow 38 on New York’s Lower East Side in 2008. It was a joint initiative with the Goethe Institute, then under the direction of Stephan Wackwitz, which brought the Kunstverein model to the American city. [21] During the first three years, Ludlow 38 offered the possibility of a one-year partial geographical outsourcing to Kunstverein München, European Kunsthalle, and Künstlerhaus Stuttgart and their respective programs. The integration of these institutions into the New York art scene took place at a time when the German art landscape was receiving special attention in the U.S. and enabled them to insert themselves into a lively, but also geocentric and privileged art scene. In 2011, the role of the space was reconsidered, which from then on through 2019 provided young curators with the possibility of a one-year residency program in the cultural metropolis.

The project Talk/Show, which was already developed in 2007 in cooperation with tranzit, [22] saw the Kunstverein’s program being entirely relocated to Bratislava for six weeks. There, 16 international artists and cultural workers were invited to give a lecture at the Academy of Fine Arts and Design, Bratislava. In addition, an exhibition consisting of works contributed by the lecturers was developed during a workshop. Together, the participants, who worked in different artistic disciplines, explored cultural negotiation spaces outside of economic institutions. Starting from the urban setting in Bratislava, they looked for commonalities with other more western, European cities that were affected by the growing economization, privatization, and commercialization of public and discursive spaces during this period. Both examples formulate a detachment from the concrete architecture of the Kunstverein and also consider the institution as a space independent of its set location. The second example furthermore allows us to understand how institutions became aware of the new possibility of a wider reach, thereby realigning themselves and facing unfamiliar demands and responsibilities, which were not only reflected in the programmatic focus, but also expressed through new methods of communication and public relations.

The window display at the Hofgarten appears almost in opposition to this. Here, the interior of the architecture merges with its immediate surroundings, be it the location in the city center or the artificial nature of the Hofgarten and the interaction with passers-by. The local bonds are reflected in this place like nowhere else. Yet in an exciting way it renounces institutional boundaries and has become an exhibition space that can be viewed at any time, regardless of opening hours and admission tickets. With the exception of occasional projects, such as Borland’s aforementioned project, Inside Pocket, the window display remained a rather sporadically used exhibition space until 2015. The series The Local Contemporary, which invited Munich-based designers and photographers such as Fritz Beck, Jonathan Mauloubier, and Charlotte Talbot, saw the potential of the window display primarily based on the concept of the flâneur/ flâneuse. [23] This was reinforced by the installation Replica by the designers Ayzit Bostan and Gerhardt Kellermann which interacted with the window display. Following the example of the Venetian St. Mark’s Square, the arches of the northern arcades were covered with curtains.

Under the direction of Chris Fitzpatrick (Director 2015-19), this hitherto uncommon exhibition space was, on par with the rooms on the first floor, given the status of a presentation space for exhibitions and has been used as such continuously since then. Projects like those of Jochen Lempert or Juha Peka Matias Laakkonen reflected the artificiality of the surrounding nature. In 2017, the one-year exhibition series Theatre of Measurements showed artistic positions whose works were presented alongside and building on each other. They thematically dealt with the interaction between the measuring instrument and the object to be measured and were embedded in a scenography by the artist Jonas von Ostrowski, which established a connection with architectural and design elements of the Hofgarten and drew attention to the immediate surroundings. Apart from this one-year series, the window display at the Hofgarten remained a presentation space for individual positions or was linked to more extensive exhibitions and projects that spread across various spaces of the Kunstverein, including Lydia Ourahmane, Brud, Habima Fuchs, and Radio80000. Most of the works shown here were new productions by the artists. Currently, an onsite and online series is being presented here under the title Schaufenster, which interlinks the two permanently accessible spaces of the institution—the window display and the website. On the one hand, the format articulates a permanent viewing possibility at the site of the institution. On the other hand, it also formulates independency from institutional ties and opens itself up to non-physical visitors.

The curatorial team [24] under Chris Fitzpatrick worked more intensively on the de-hierarchization of exhibition spaces and formats, again making increased use of the foyer as a space for exhibitions, while also changing the architecture to create new spaces. During these years, artistic works like Insuline by Erik Thys and Adult Female by Nina Beier parasitically invaded unusual spaces, such as the fridge or the answering machine. By converting one of the exhibition spaces on the first floor into a cinema, a focus on moving images as well as cooperation with local cultural programs such as Dok.Fest, Queer Filmfest or the literary format meine drei lyrische ichs was made possible. From 2016 to 2019, The cinema was also a lively venue for events, collaborations and discussion formats such as symposia, artist talks, and the annual members meeting.

Since 2017, the archive has increasingly become an integral part of the institutional work and is particularly characterized by Theresa Bauernfeind’s profound, scientific work. In light of the forthcoming 200th anniversary in 2023, the archive of Kunstverein München will receive even more attention under the new direction of Maurin Dietrich (Director since July 2019) and the curatorial team. [25] The cinema has now given way to the new Archive Space, which opened in February of this year and was designed by the artist Julian Göthe in response to the Kunstverein’s architectural conditions. This has created a concrete and accessible space for the archive within the institution. The often-imperceptible archival work is now being exposed, allowing visitors to view publications and archival materials from 1969 to the present. In addition to providing greater visibility, the work of dealing with the archive will also become tangible in the form of curatorial, artistic, and mediating projects and events. Consequently, a place of encounter and exchange has been created here, which allows both spatial and programmatic links between past and present that can be jointly presented for the first time.

Since moving into the building at the Hofgarten, the regular conversion of the premises, as was recently demonstrated by the newly established Archive Space, as well as the noticeable change in perspective on the location and architecture of Kunstverein München has underscored the flexibility and adaptability that is required of the architecture in favor of curatorial and artistic decisions. Reflections on whether and how the institution can also act as a disembodied structure and in doing so always become aware of its own space of action in new ways can be found in the examples given above. It becomes clear how many dynamic components interact here, which continuously infiltrate and re-evaluate the defined architecture and are thereby able to free it from its authority and the hierarchies that accompany it. The great attention paid to contemporary art as well as the growing global networking required and enabled the decentralization of institutions, expanding their scope of action and with it their visibility. This in turn required more responsibility and foresight. Despite the increased attempts to detach the institution’s program from its fixed location, the examination of urban integration was incessantly incorporated into curatorial and artistic considerations. Moreover, it often forms the starting point for programmatic activities, which are always accompanied by current discourses.

Text: Christina Maria Ruederer
Translation and Editing: Gloria Hasnay, Adrian Djukic, and Christina Maria Ruederer
If you have any questions about the Martina Fuchs Archive, please contact Adrian Djukic via archiv@kunstverein-muenchen.de.

Notes:
[1] This also includes curatorial formats which were developed not only by professional curators, but also by artists and other cultural workers.
[2] Kuhn, Matthias. “Wir sind kein Parkhaus für Objekte. Der Kunstverein wird 180 – Zeit, für einen längst fälligen Besuch,” in: go June. 2003, p. 80.
[3] The curatorial team under Maria Lind was formed by Ana Paula Cohen (2003), Søren Grammel (2002-04), Julienne Lorz (2004), Tessa Praun (2003), Katharina Schlieben (2002-03), and Judith Schwarzbart (2003-04).
[4] Grammel, Søren, “Eintritt. Zum Umbau des Foyers,” in: Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters. Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne; et al. (eds.), Kunstverein München, 2004, p. 28-31, here: p. 28.
[5] Schlieben, Katharina, “Wohin die Reise geht…,” in: Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters. Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne; et al. (eds.), Kunstverein München, 2004, p. 24-27, here: p. 24.
[6] Grammel, “Eintritt. Zum Umbau des Foyers,” p. 30.
[7] Ibid.
[8] Ibid.
[9] Project website of artist Apolonija Šušteršičs: https://apolonijasustersic.com/about/publications/ [March 3, 2020]
[10] Grammel, Søren, “Eintritt. Zum Umbau des Foyers,” p. 31.
[11] The meticulous documentation of the projects and the curatorial work, which aimed for its own transparency, also allows insights into unrealized projects and exhibitions, making the larger context evident. Cf.: Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters. Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne; et. al. (eds.), Kunstverein München, 2004.
[12] Grammel, Søren, “Eintritt. Zum Umbau des Foyers,” p. 31.
[13] Cf.: Lind, Maria, “Ausdehnung in der Zeit. Eine Retrospektive mit Christine Borland, April 2002 – April 2003,” in: Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters. Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne; et al. (eds.), Kunstverein München, 2004, p. 90-97 and 114-127, here: p. 115.
[14] The installation Inside Pocket used two of the window displays as exhibition space, including the one at the Hofgarten, which has been used continuously for exhibitions since 2015, and the adjacent window of the office on the ground floor.
[15] Lind, Maria, “Ausdehnung in der Zeit. Eine Retrospektive mit Christine Borland, April 2002 – April 2003,” p. 90.
[16] Project website of artist Carey Young: http://www.careyyoung.com/philippe-parreno-carey-young [April 20, 2020].
[17] Lind, Maria, “Alles von Innen,” in: Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters. Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne; et al. (eds.), Kunstverein München, 2004, p. 33-34, here: p. 33.
[18] Schlieben, Katharina, “Ausstellungsraum Per-form: Grenzfall,” in: Spring Fall 02 04. Gesammelte Drucksachen Collected Newsletters. Lind, Maria; Grammel, Søren; Lorz, Julienne; et al. (eds.), Kunstverein München, 2004, p. 161-163, here: p. 161.
[19] Ibid.
[20] Ibid.
[21] Cf.: “The first 3 years of Ludlow 38,” Maier, Tobi; Lotz, Antonia; Kalmár, Stefan; et al. (eds.), Leipzig/New York, 2011.
[22] tranzit is a unique network of civic associations working autonomously in the field of contemporary art in Austria, the Czech Republic, Hungary, Slovakia, Romania, and beyond the borders of a wider Europe. Its main goal is to support and articulate emancipatory practices, and to establish connections between culture and society by moving across geographies, generations, and political spheres. Cf.: Project website of tranzit, https://www.tranzit.org [April 20, 2020].
[23] Flâneur / Flâneuse: from the French flâner, meaning to stroll, to wander, dawdle around, refers to the male/female city promenader, stroller, dawdler, but also loafer. A literary figure from the 19th century, the long exclusively male flâneur is particularly present in the work of the poet Charles Baudelaire (1821-68), who captures the zeitgeist of urbanism and modernity of the time. In Baudelaire‘s case, he is characterized as a wandering, dandy-like artist who discovers the world in the process of passing by, while reflecting on society. Walter Benjamin (1892-1940) also took up the term and perceived him more as an urban observer, voyeur, melancholic, and suspect at the same time, decoding the secrets and hidden characteristics of modern society. The concept of the flâneur did not foresee a female form until well into the 20th century. Baudelaire's work contains only the passante, the female passer-by, as a urbanite, which, however, in this temporal context is to be understood as sex worker or servant and was by no means the counterpart to the figure of the flâneur. It was not until the 20th century that women became participants and observers within urban life, one might think of Virginia Woolf, for instance. From the 2000s onwards, the common term flâneuse slowly became established.
[24] The curatorial team headed by Chris Fitzpatrick consisted of Post Brothers (2016-19), Sarah Donderer (2016-17), Nina Gscheider (2015-16), and Christina Maria Ruederer (since 2017).
[25] Under the direction of Maurin Dietrich, the curatorial bureau is staffed by Gloria Hasnay (since 2019) and Christina Maria Ruederer.

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