Temperatures VI

Ana Teixeira Pinto: Dim to Dark (in englischer Sprache)

Dienstag, 26. Oktober 2021
19 Uhr

Temperatures ist ein kooperatives, einjähriges Veranstaltungsprogramm des Bonner Kunstvereins, Kunstvereins München und des Kunstvereins Nürnberg mit Vorträgen, Lesungen, Konzerten und Performances, das den digitalen Raum innerhalb der bestehenden Infrastrukturen der drei Institutionen erweitert.

Die sechste Veranstaltung mit dem Titel Dim to Dark findet in Form eines Vortrags der Kulturtheoretikerin und Autorin Ana Teixeira Pinto statt. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt. Die Teilnahme ist online – kostenlos und ohne Voranmeldung – über folgenden Link möglich: https://us02web.zoom.us/j/86175584804?pwd=aWlrTUdnNFpHanR2TTdqYWEwUmg1QT09. Außerdem gibt es die Möglichkeit, den Vortrag vor Ort im Kunstverein Nürnberg zu besuchen. Für einen dortigen Besuch gelten die aktuellen 3G-Regularien.

In seinem oft zitierten Essay Lessons on the Analytic of the Sublime aus dem Jahr 1991 beschreibt Jean-Francois Lyotard die Erfahrung des Erhabenen als einen gewalttätigen sexuellen Übergriff, bei dem das Vorstellungsvermögen als “violated, exceeded, exhausted”[1] erscheint. Man könnte Lyotards Vorliebe für Metaphern, die sexuelle Gewalt naturalisieren, vielleicht als Eigenart eines einzelnen Autors abtun, aber abgesehen von dieser schockierenden Passage ist das “freie Spiel” der Kräfte bereits in Kants Darstellung des Erhabenen implizit gegendert. Das Erhabene hat auch eine verdeckte, rassische Dimension. In Edmund Burkes Philosophical Enquiry into the Origin of Our Ideas of the Sublime and the Beautiful (1757), der ersten Theorie des Erhabenen, wird “blackness” mit den Themen Dunkelheit und Schrecken in Verbindung gebracht, und zwar anhand des Beispiels eines Jungen, dessen Sehkraft gerade erst wiederhergestellt worden war; dieser ist angesichts eines schwarzen Frauenkörpers “struck with great horror at the sight”[2].

Anliegen dieses Vortrags ist es, das Erhabene und angrenzende ästhetische Kategorien wie das Exotische oder Groteske aus ihrer ursprünglichen post-aufklärerischen Linie herauszulösen – einer Geschichte ästhetischer Ideen, die vorgeben, ohne schmutzige Verstrickungen an den Orten imperialer Extraktion oder Expansion zu existieren – und die beunruhigende Verquickung von verkörperter und kultivierter Erfahrung zu untersuchen, die der Diskurs der philosophischen Ästhetik als ideologischer Prozess hervorbringt.

Ana Teixeira Pinto ist Autorin und Kulturtheoretikerin und lebt in Berlin. Zur Zeit ist sie Gastprofessorin an der AdBK Nürnberg sowie Tutorin für Theorie am Dutch Art Institute. Ihre Texte erschienen in Publikationen wie Third Text, Afterall, e-flux journal, Manifesta Journal und Texte zur Kunst. Sie ist Herausgeberin einer in Kürze erscheinenden Buchreihe zum „apolitical turn“, die bei Sternberg Press erscheint, und organisiert aktuell, gemeinsam mit Kader Attia und Anselm Franke, eine Konferenz und Podcast-Reihe The White West: Whose Universal?, die im November 2021 am Haus der Kulturen der Welt in Berlin stattfinden wird.

[1] Jean-François Lyotard, Lessons on the Analytic of the Sublime, Palo Alto: Stanford University Press, 1994, S. 180.
[2] Edmund Burke, A Philosophical Inquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and Beautiful, 1757, S. 74.

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