**Summer School 2023

The Stories We Tell Ourselves**
mit manuel arturo abreu, Niloufar Emamifar, Sami Khatib, Shola von Reinhold und Alan Ruiz

8.–11. August 2023

– OPEN CALL –

Bewerbungsfrist: bis Freitag, 7. Juli

Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums des Kunstverein München in diesem Jahr findet die dritte und letzte Ausgaben einer Summer School unter dem Titel The Stories We Tell Ourselves statt. Das Format, das 2021 begann, widmet sich kollektiver Wissensproduktion und verhandelt die Konzeption einer für die Öffentlichkeit bestimmten Institution. Die Teilnehmer*innen sind eingeladen, gemeinsam mit Gastdozent*innen und dem kuratorischen Team an vier Themenschwerpunkten im Kontext des Archivs der Institution zu arbeiten: Architektur, Institutionsgeschichte(n), Publizieren sowie Stadt und Archiv.

Tagsüber fokussieren sich die vier Arbeitsgruppen auf gemeinsame Lernprozesse, die neben fiktiven Neuformulierungen der Institution, auch Feldforschung im Kontext der Stadt beinhalten. Abends werden in (halb-)öffentlichen Formaten wie Vorträgen, Gesprächsrunden oder Screenings weitere Ansätze und Fragen präsentiert und diskutiert. Gemeinsam wollen wir in der Summer School darüber nachdenken, welchen Zeitlichkeiten und Politiken ein solches Format der alternativen Wissensproduktion unterliegt, aber auch, welche es austesten kann.

1) Architektur: Ablehnungsbriefe als Spuren von Abwesenheiten im Archiv
mit Shola von Reinhold (Autorin), Gina Merz (Kunstverein München)

Die Architektur einer Kunstinstitution versucht die Öffentlichkeit einzuschließen – die Frage ist: Wer macht diese Öffentlichkeit aus? Wer hat Zutritt? Während die institutionelle Eingangstür (oder ein Open Call) für manche offen ist, erscheint sie für andere als verschlossenes Tor. Sie lässt einige Körper, Geschichten und Arbeiten als Teil des Programms zu, während andere ungelesen, ungehört und unerzählt bleiben. Das Archiv hinterlässt in Form von Dokumenten wie Ablehnungsbriefen, Bildern und Namenslisten vermehrt Spuren die auf Abwesenheiten verweisen. In einem Protokoll ist zum Beispiel die anfängliche Ablehnung des Antrags auf Mitgliedschaft von Lola Montez im Jahr 1846 zu finden. Mit den Worten von Saidiya Hartman, Trinh T. Minh-ha, Shola von Reinhold und Maria Stepanova im Kopf, will diese Arbeitsgruppe die Spuren von archivierten Biografien weiter fabulieren – und sie für real erklären, genau so. Indem die Ablehnungen dieser Personen durch Neuerfindungen abgelehnt werden, werden ihre Geschichten in das Archiv eingeschleust. Denn: Ist ein Archiv nicht immer fiktiv?

2) Institutionsgeschichte(n)
mit Niloufar Emamifar (Künstlerin), Gloria Hasnay (Kunstverein München)
und Alan Ruiz (Künstler)

Die Geschichte von Kunstinstitutionen wie dem Kunstverein formuliert sich nicht nur durch das, was sichtbar ist, sondern auch durch die verschiedenen Paratexte, die dem Kunst- und Ausstellungsmachen eingeschrieben sind: administrative Zusammenhänge, Arbeitsökonomien, oral history oder nicht aufgezeichnete Erinnerungen. Durch das gemeinsame Lesen von Texten und Diskutieren beispielhafter Ausstellungen sowie institutioneller Abläufe werden wir uns mit den Bedingungen und Prozessen der Archivierung und den damit einhergehenden Wirkungszusammenhängen befassen, die immer kollektiv und kollaborativ, jedoch auch konflikthaft sind. Gemeinsam werden wir Fragen zur Methodik der Arbeit in und mit Archiven von Kunstinstitutionen, insbesondere dem des Kunstverein München, den Gesetzen der Geschichtsschreibung, interorganisatorischen Relationen und Dynamiken, die zur instituierenden Subjektivität beitragen, sowie dem „Nicht-zu-Archivierenden“ und dem, was bewusst verschwiegen, ausgelassen oder aus Archiven entfernt wird, nachgehen.

3) Publizieren
mit manuel arturo abreu (Künstler*in), Maurin Dietrich (Kunstverein München)

Was bedeutet es im erweiterten Sinne des Wortes „Publizieren“ (im Englischen „to make something public“) über die Strukturen nachzudenken, in denen eine Institution und ihre Akteur*innen kommunizieren? In dieser Arbeitsgruppe wird manuel arturo abreu eine Vielzahl von somatischen und nicht-rational gesteuerten Formen der Untersuchung anbieten, darunter Übungen zu von Gruppen erzeugten Klängen (Vokalisierung, durch Körperbewegungen erzeugte Klänge, etc.), Kaleidoskop-Konversationen (eine von der in Portland arbeitenden Künstlerin sharita towne gelernte Strategie, bei der während eines bestimmten Zeitraums nur Fragen erlaubt sind) sowie asemisches Schreiben als Verschlüsselung (d.h. Schreiben ohne semantische Markierungen, das an einer verschwommenen Grenze zwischen Satz und Bild existiert).

4) Stadt und Archiv: Migrating Marxisms
mit Sami Khatib (Kulturtheoretiker und Philosoph), Jonas von Lenthe (Kunstverein München)

Die Geschichte des Marxismus ist eine Geschichte der Migration. Jenseits der europäischen Metropolen bildeten sich unzählige Stränge eines internationalistischen Konzeptes heraus, die in Momenten des transnationalen Kontaktes entstanden und in spezifischen, oft antikolonialen Kämpfen ihre Anwendung fanden. In unserer diesjährigen Gruppe möchten wir diese Marxismen und ihr wechselwirkendes Spannungsfeld zwischen lokalem Kontext und universalistischer Idee erforschen: In welchem Befreiungskampf engagierte sich Frantz Fanon? Worüber stritt Mahdi Amel mit Edward Said? Wusste Hegel von der Revolution in Haiti? Und war Marx eurozentrisch?

Ansichten: The Stories We Tell Ourselves, Summer School 2023, Kunstverein München. Fotos: Max Greuter.

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.

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