Summer School 2022
The Stories We Tell Ourselves
mit Niklas Fanelsa, Europa Frohwein, Lucie Kolb, Kirsten Lloyd, Ima-Abasi Okon, Kollektiv P.O.N.R., Ingrid Scherf, Kandis Williams
und einer Arbeit von Céline Condorelli
9.–12. August 2022
Im Vorfeld des 200-jährigen Jubiläums des Kunstverein München im Jahr 2023 finden drei Ausgaben einer Summer School unter dem Titel The Stories We Tell Ourselves statt. Das Format, das 2021 begann, widmet sich kollektiver Wissensproduktion und verhandelt die Konzeption einer für die Öffentlichkeit bestimmten Institution. Die Teilnehmer*innen sind eingeladen, gemeinsam mit Gastdozent*innen und dem kuratorischen Team an vier Themenschwerpunkten im Kontext des Archivs der Institution zu arbeiten: Architektur, Ausstellungsgeschichte, Gesellschaft und Stadtgeschichte sowie Publizieren.
Tagsüber fokussieren sich die vier Arbeitsgruppen auf gemeinsame Lernprozesse, die neben fiktiven Neuformulierungen der Institution, auch Feldforschung im Kontext der Stadt beinhalten. Abends werden in (halb-)öffentlichen Formaten wie Vorträgen, Gesprächsrunden oder Screenings weitere Ansätze und Fragen präsentiert und diskutiert. Gemeinsam wollen wir in der Summer School darüber nachdenken, welchen Zeitlichkeiten und Politiken ein solches Format der alternativen Wissensproduktion unterliegt, aber auch, welche es austesten kann. Dem wollen wir uns in vier Arbeitsgruppen nähern:
1) Architektur: Zeitgenössische Ausstellungsräume
mit Europa Frohwein (BUREAUEUROPA), Gina Merz (Kunstverein München)
und Niklas Fanelsa, Kollektiv P.O.N.R.
Als Ort gemeinsamer Verhandlung von zeitgenössischer Kunst, kommt dem Kunstverein München die wichtige Aufgabe der Moderation heterogener Interessensgruppen zu. Die daraus hervorgehenden räumlichen Anforderungen werden in dieser Arbeitsgruppe diskutiert und weiterentwickelt. Trotz der zentralen Position in den Hofgartenarkarden ist die Institution aus dem unmittelbaren Stadtraum kaum zu erkennen. Daher soll insbesondere die Kernproblematik der Sichtbarkeit, Erschließung sowie Adressbildung neu verhandelt werden. Mittels morphologischer Untersuchungen (Modellbau, Collagen, 1:1 Simulation) wird die historische Raumstruktur in ihrem urbanen Kontext aus neuen Blickwinkeln betrachtet, wodurch spekulativ-utopische, künstlerische und real-architektonische Eingriffe gedacht sowie getestet werden können. Die für München typisch unscheinbaren, aber dennoch vehementen baulichen Veränderungen des Wiederaufbaus nach 1945 bieten einen ersten Anhaltspunkt zur Verhandelbarkeit dieser Substanz.
2) Ausstellungsgeschichte: Curating and the Politics of Care
mit Kirsten Lloyd (Kuratorin, Dozentin für Curatorial Theory and Practice, University of Edinburgh), Gloria Hasnay (Kunstverein München)
und Ima-Abasi Okon
Die Arbeitsgruppe wird sich auf Kunstinstitutionen im Allgemeinen und den Kunstverein sowie dessen Ausstellungsgeschichte im Besonderen als Ort für feministische Interventionen konzentrieren. Anhand zentraler Debatten und Fallstudien wird die konfliktreiche Beziehung zwischen Institutionen, Archiven und feministischem Denken untersucht. Außerdem wird die Art und Weise erforscht, in der Feminismus durch Ausstellungsgestaltung sowie experimentelle und disruptive Taktiken repräsentiert und reflektiert wird. Gemeinsam werden beispielhafte Ausstellungen diskutiert, Texte gelesen und eine Reihe von Vorschlägen für den Kunstverein erarbeitet, mittels derer darüber nachgedacht werden soll, welche Art von Infrastrukturen und kuratorischen Strategien erforderlich sind, um den feministischen Kampf im 21. Jahrhundert zu fördern.
3) Publizieren
mit Kandis Williams (Künstlerin, Autorin), Maurin Dietrich (Kunstverein München)
Was bedeutet es im erweiterten Sinne des Wortes „Publizieren“ (im Englischen „to make something public“) über die Strukturen nachzudenken, in denen eine Institution und ihre Akteur*innen kommunizieren? Ausgehend von aktuellen und vorangegangenen Medien des Kunstverein München zwischen Print (Publikationen, Booklets, Pressetexten, Flugblättern u. a.) und digital (Webseite, Newsletter, Radio u. a.) widmen wir uns der Frage nach Form, Dringlichkeit und Adressat*in. In gemeinsamer Arbeit wird es darum gehen, andere spekulative Formate zu entwerfen, in denen Inhalte produziert und zirkuliert werden. Zudem wird der Frage nachgespürt, wie diese Inhalte neuen Öffentlichkeiten zugänglich gemacht werden, zu ihnen sprechen und sich wiederum anderen verschließen.
4) Stadt und Archiv: Kontinuitäten und (Gegen-)Öffentlichkeiten
mit Lucie Kolb (Autorin, Researcherin für kritisches Publizieren und forschendes Lernen), Johanna Klingler und Jonas von Lenthe (Kunstverein München)
und Ingrid Scherf
Als Phänomen der jüngeren Vergangenheit wirft der Begriff der „Gegenöffentlichkeit“ heute verschiedene Fragen auf. Wie hat sich die Organisation gegenöffentlicher Initiativen verändert? Wie haben solche kritische Wissens- und Arbeitsformate kulturelle Institutionen geprägt? Ist der Begriff des „Gegen“ überhaupt noch produktiv oder wie müssten wir ihn in der Gegenwart formulieren? Die Arbeitsgruppe wird sich anhand verschiedener historischer Ereignisse des Kunstvereins sowie der politischen und kulturellen Geschichte Münchens ein Forschungsfeld zu Fragen der „Gegenöffentlichkeit“ erarbeiten. Dabei soll die gemeinsame Arbeit ebenfalls als die Produktion einer solchen verstanden werden. Neben dem gemeinsamen Lesen und Sammeln von Texten, sollen auch Exkursionen und Gespräche stattfinden.
Abbildung: The Stories We Tell Ourselves, Summer School 2021, Kunstverein München.
Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Bayerische Architektenkammer.