Darius Mikšys
Hayward & Tamayo
24. September – 20. November 2016
Der Kunstverein München präsentiert Hayward & Tamayo, eine Ausstellung von Darius Mikšys, mit Werken von der Hayward Gallery in London und dem Museo Tamayo Arte Contemporáneo in Mexico City. Hinzu kommt eine virtuelle Performance, die fernbedient innerhalb des Computerspiels ’Halo’ aufgeführt wird sowie ein ’Artists Parents Meeting’ (Künstler-Eltern-Abend), veranstaltet von Mikšys im Rahmen der Jahresgaben 2016.
Darius Mikšys ist ein Künstler. Sein primäres Interesse an ’Kunst’ ist ihre Anpassungsfähigkeit. Er betrachtet sie als Produktions- und Diskursbereich mit einer Drehtür. Anders gesagt, bedeutet Künstlersein für ihn, dass man sich in alle möglichen Gebiete Einlass verschafft, dass man ständig unbefugt eindringt. Sich immer nur innerhalb des Reproduktionssystems der Kunst selbst abzumühen bedeutet für Mikšys die vielfältigen wandelbaren Positionen, die ein Künstler besetzen kann zu verneinen, und damit den Anschluss zu verpassen.
Ausgestattet mit einem feinen Gespür für soziale Ordnungen, ist Mikšys als ein ’imagician’ aktiv, der praktische Werkzeuge oder Programmierungen hervorbringt, um scheinbar stabile und sich selbst organisierende Strukturen neu zu imaginieren. Er dringt in verschiedene Systeme ein – in den Alltagsbetrieb von Museen oder Galerien, in die Gewohnheiten von Möwen, Delfinen oder Menschen, oder auch in die Mechanismen von Regierungs- und Sozialeinrichtungen – betrachtet deren Bedingungen, Routinen, Beschränkungen und Parameter, und bewirkt schließlich eine Neuorganisation und Eigenwahrnehmung, die das System dazu anregen, sich mit seinen eigenen Mitteln neu zu erfinden.
Hayward & Tamayo wird in den drei großen Ausstellungsräumen des Kunstvereins gezeigt. Der Titel der Ausstellung leitet sich von der noch laufenden Reihe Pinocchio her, für die Mikšys Kunsteinrichtungen dazu einlädt, einen Künstler und ein Kunstwerk in einem zu erschaffen und auf diese Weise eine neue Entität in der Kunstszene zu etablieren. Dabei bittet er die Museen weder eine Ausstellung zu entwickeln, noch für die Gestaltung des Kunstwerks einen Künstler einzuladen, sondern bittet jede Institution ein Kunstwerk im Kollektiv hervorzubringen – institutionelle Anerkennung anstatt institutionelle Kritik. Mikšys befragt, inwiefern das, was von den verschiedenen Künstlerpersönlichkeiten und Kunstwerken ’durchsickert’ einen Einfluss auf die Einrichtungen nimmt und stellt zur Debatte, dass die Verschmelzung dieser Erfahrungen möglicherweise zu einem ’ultimativen Künstler’ führen könne: eine autonome, artifizielle Entität, die als Ganzes mehr ist, als die Summe ihrer Teile.
Hayward & Tamayo ... der Titel klingt wie eine Anwaltskanzlei, ein Polizistenduo aus dem Fernsehen oder sogar wie der Name für ein Sandwich. Die Wahl speziell dieser beiden Institutionen ist jedoch von Bedeutung: Beide wurden nach Personen benannt, im einen Fall ein Künstler, im anderen ein Politiker. Jede der beiden Institutionen hat eine andere Geschichte, ein unterschiedliches kulturelles Umfeld, andere institutionelle Strukturen und Aufgaben, und beide haben sich ihre eigene hybride Identität geschaffen. Die Konvergenztheorie jedoch besagt, dass die Mitglieder eines Systems mit der Zeit ähnliche Merkmale ausprägen – als unverzichtbare Unterstützer zeitgenössischer Kunst und Künstler gibt es zwischen diesen Einrichtungen somit vielleicht mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.
Mikšys verändert oft das Verhältnis zwischen Kunst, Künstlern, Kunsteinrichtungen und der Gesellschaft im Ganzen. Für den litauischen Pavillon auf der 54. Biennale von Venedig lud Mikšys 2011 alle litauischen Künstler ein, die vom Kulturministerium Förderung erhalten hatten, ihre Arbeiten auszustellen. Er gab einen Überblick über die sozioökonomischen und produktionsrelevanten Bedingungen von Künstlern in seinem Heimatland und stellte den Staat als Kurator eines sich stets wandelnden Narrativs über die kollektive Identität zur Diskussion. Seine Arbeiten beleuchten die Frage, in welchem Ausmaß die Kunst ein Faktor bei der Organisation des Lebens sein kann und testen, inwiefern sich Ordnungen aufwerten, umkehren oder neu bewerten lassen, wenn man neue Entitäten und Aktivitäten in ein spezifisches Umfeld einbringt und dadurch Ausblicke auf mögliche zukünftige Ordnungen eröffnet.
Im Kino zeigt der Kunstverein während der Ausstellung außerdem eine partizipatorische Performance von Mikšys, bei der man einer virtuellen Performance des Künstlers innerhalb des Computerspiels ’Halo’ beiwohnt. Nach Ausstellungsende verfolgt Mikšys die Kunst bis an ihre Wurzeln zurück, indem er die Eltern der Künstler, die in der diesjährigen Jahresgaben-Ausstellung des Kunstvereins ausstellen zu einem ’Artists Parents Meeting’ einlädt. In der quasi privaten Veranstaltung regt Mikšys die ’Schöpfer der Schöpfer’ dazu an, zu erörtern inwiefern ihre langjährige Zuwendung und Unterstützung es den Kindern ermöglicht hat, Künstler zu werden (und zu bleiben).