Archiv Newsletter No. 3.1
September 2018
Von Beginn an unterhält der Kunstverein München eine kontinuierliche, jedoch durchaus wechselhafte Beziehung mit der 1808 gegründeten Königlichen Akademie der bildenden Künste.
In München, einer damaligen Großstadt mit etwa 50.000 Einwohnern, entstand 1823 mit dem Kunstverein München einer der ersten voll ausgebildeten Kunstvereine im deutschsprachigen Raum. [1] München besaß zu jener Zeit ein überproportional großes Potential an Künstlern, die als Hofkünstler nach München gekommen waren. Zudem entwickelte sich die Münchner Akademie rasch zu einer der bedeutendsten Ausbildungsstätten in Deutschland und zog zusätzliche Künstler in die Stadt. Mit der Säkularisation fiel die Kirche als Auftraggeber weitgehend aus und auch der bayerische König Max I. Joseph widmete sich eher der Stadterweiterung anstatt der Kunst. Die zunehmende Abhängigkeit der Künstler von Privataufträgen wurde zum bestimmenden Thema des 1823 gegründeten Kunstverein München.
Die vier Stifter, der Vedutenmaler Domenico Quaglio (1786–1837), der Genremaler Peter Heß (1792–1871), der Porträtist Josef Karl Stieler (1781–1858) und der Architekt Friedrich Gärtner (1792–1847), vertraten bezeichnenderweise Disziplinen der Kunst, die der Fachmalerei zugerechnet wurden. [2]
Diese Künstler, auch Fächler [3] genannt, fanden damals an der Akademie wenig Rückhalt. Zwar war mit der Akademie „den Künstlern und Kunstfreunden ein allgemeine[r] Vereinigungspunkt bereits gegeben“ [4] worden, wie Max I. Joseph in der Genehmigung der Kunstvereinsgründung betonte, doch konnte die Akademie den Künstlern keine regelmäßigen Ausstellungsmöglichkeiten bieten. Trotzdem darf die Gründung des Kunstverein München nicht als ein Aufbegehren gegen die Akademie verstanden werden. Das Gründungsmitglied Gärtner war außerdem seit 1819 als Professor für Baukunst an der Akademie tätig, wodurch eine Ausrichtung gegen die Akademie wohl als unwahrscheinlich angesehen werden kann.
Umgekehrt scheint aber die Akademie, vor allem der damalige Direktor Johann Peter von Langer (1756–1824), der Kunstvereinsgründung anfangs skeptisch gegenüber gestanden zu haben. [5]
Auch kommt im Genehmigungsschreiben des Königs eine gewisse Reserviertheit zum Ausdruck, in welchem die Tätigkeit des Vereins ausdrücklich auf Bereiche beschränkt wurde, die nicht schon durch die Akademie abgedeckt wurden. [6] Offenbar stand die Befürchtung im Raum, der Kunstverein München würde in Teilbereichen mit dem Bildungs- und Ausbildungsauftrag der Akademie kollidieren.
Der Kunstverein München wurde in den Folgejahren allerdings rasch gesellschaftlich akzeptiert. Auch zur Akademie wurden bereits ab 1824 vermehrt Beziehungen aufgenommen und weitere Mitglieder des Lehrkörpers traten dem Kunstverein bei. [7]
Bereits zu dieser Zeit fanden im wöchentlichen Rhythmus Ausstellungen statt und der sonntägliche Kunstvereinsbesuch wurde zu einem festen Bestandteil im bürgerlichen Leben. Obwohl es in München zahlreiche weitere Vereine gab, kann dem Kunstverein München im Gesellschaftsleben der Stadt und als Anlaufstelle für Künstler in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle zugestanden werden. Neben der Konkurrenz zur Akademie verdankte der Kunstverein seine führende Stellung auch dem damals noch nicht in der heutigen Form existierenden Kunsthandel.
Walter Grasskamp beschreibt, dass auch die Akademie Ausstellungen veranstaltete, die König Max I. Joseph ausdrücklich als eine ihrer Gründungsaufgaben festgelegt hatte. Die sogenannte Jahresausstellung der Akademie wurde durchschnittlich nur alle drei Jahre veranstaltet und zeigte hauptsächlich Werke der eigenen Professoren und fortgeschrittenen Studenten.
Seit ihrer Konstituierung dominierte an der Akademie das Malfach der Historie. Die Professur für Landschaftsmalerei wurde 1824 sogar aufgegeben und bis zur Jahrhundertwende nicht wiederbesetzt. In den Jahren 1838 bis 1845 veranstaltete die Akademie zudem keine Ausstellungen. Die Porträts, Stillleben, Genreszenen und Landschaften von Künstlern, die an der Akademie keine Unterstützung fanden, stießen auf das wachsende Interesse einer bürgerlichen Käuferschicht, was dem Kunstverein als Künstlervertretung und Ausstellungsorgan zugutekam. Fast ein Jahrhundert lang war der Kunstverein München mit bis zu 6.000 Mitgliedern die größte und angesehenste Privatgesellschaft in ganz München.
Die Vormachtstellung des Kunstverein München geriet in den Folgejahren jedoch zunehmend ins Wanken. Bereits 1845 wurde das von Georg Friedrich Ziebland (1800–1873) errichtete Ausstellungsgebäude am Königsplatz von der Münchner Akademie bezogen und das neue königliche Gebäude lockerte längerfristig die Abhängigkeit der Künstler vom Kunstverein München als Ausstellungsorgan. Zunehmend wurden am Königsplatz neben Historien auch Genres gezeigt. 1858 verbündete sich die Akademie anlässlich ihres 50- jährigen Jubiläums mit der Allgemeinen deutschen Kunstgenossenschaft und zeigte eine viel beachtete Ausstellung am Königsplatz. Die Eröffnung des berühmten Glaspalastes 1854 in München sorgte für einen zusätzlichen, vom Staat geförderten Ausstellungsort. Die Genossenschaft sollte hier in den Jahren 1889 bis 1931 im Jahresrhythmus Ausstellungen veranstalten. Auch übernahm sie ab 1863 die Jahresausstellung der Akademie. Die Monopolstellung des Kunstvereins war nun endgültig gebrochen, nachdem sein Kernbereich der Ausstellungstätigkeit sowie seine Stellung als Interessensverband relativiert worden waren. [8]
Zur Jahrhundertwende verlor die Stadt München schließlich insgesamt an kulturellem Einfluss. Sowohl der Kunstverein als auch die Akademie standen neuen Entwicklungen in der Kunst ablehnend gegenüber und auch von politischer Seite war man darauf bedacht, im Kunstverein weiterhin konservative und spätromantische Tendenzen der Münchner Kunst zu unterstützen. Im Jahresbericht des Kunstverein München von 1898 beschwerte sich dieser sogar über die negativen Ausstellungskritiken einiger Münchner Zeitungen und strebte ein Lokalverbot für bestimmte Kritiker an.
Rückblickend betrachtet waren der Kunstverein München als auch die Akademie vor allem Mitte des 19. Jahrhunderts zentrale Institutionen in der damaligen Kunststadt München. Obwohl beide Einrichtungen vor allem im Ausstellungsbetrieb miteinander konkurrierten, zeigen sich bereits im 19. Jahrhundert enge Verbindungen der beiden Institutionen, welche sich besonders durch die Mitglieder des Kunstvereins manifestierten.
Im 20. Jahrhundert sollte sich die Konkurrenz der beiden Einrichtungen schließlich zu einem positiven gegenseitigen Austausch wandeln, wovon wir Ihnen im kommenden Newsletter berichten werden.
Text: Theresa Bauernfeind
Recherche: Theresa Bauernfeind, Christina Maria Ruederer
Übersetzung und Lektorat: Theresa Bauernfeind, Post Brothers, Christina Maria Ruederer
Bei Fragen und Anregungen kontaktieren Sie uns gerne über archiv@kunstverein-muenchen.de.
[1] Wichtige Anregungen für die Gründung der deutschen Kunstvereine kamen aus England, Frankreich und der Schweiz. Vor allem die englischen Art Institutions waren teilweise vorbildhaft für die deutschen Kunstvereine, diese wirkten allerdings wiederum vorbildhaft für die erst später (ab 1834) entstandenen Art Unions. Ein weiteres Vorbild für die deutschen Vereine war die 1787 gegründete Zürcher Gesellschaft der Künstler und Kunstfreunde, welche ab 1801 jährliche öffentlichkeitsorientierte Kunstausstellungen veranstaltete und das Aktienverlosungsprinzip einführte. Im Kunst-Blatt des Jahres 1824 finden sich zudem Hinweise auf die ursprünglich 1789 gegründete und dann 1815 neugegründete Pariser Société des Amis et des Arts, welche bereits die Hauptmerkmale des späteren deutschen Kunstvereinstypus in Form von Aktien und Verkaufsausstellungen aufwies.
[2] Vgl. Langenstein 1983, 45–50.
[3] Fachmaler, im 19. Jahrhundert auch
Fächler genannt, waren vor allem Vertreter der Landschaftsmalerei und des Genres in Abgrenzung zur Historienmalerei.
[4] Schreiben Max I. Joseph vom 31.12.1823, Akte Kunstverein München 1823, Nr. 21.
[5] Vgl. die Memoiren Albrecht Adams, laut welchem ein erster Gründungsantrag des Kunstverein München von König Max I. Joseph auf Betreiben von Langer abgelehnt worden war.
[6] Vgl. Schreiben Max I. Joseph vom 31.12.1823, Akte Kunstverein München 1823, Nr. 21.
[7] 1824 wurden die Akademieprofessoren Joseph Hauber (1766–1843), Carl Ernst Heß (1755–1828) und Wilhelm von Kobell (1766–1855) Mitglieder des Kunstverein München, 1825 auch der neue Akademiedirektor Peter von Cornelius (1783–1867). August Graf von Seinsheim (1789–1869), Vorstandsmitglied des Kunstverein München, wurde 1824 Ehrenmitglied der Akademie. Vgl. auch Langenstein 1983, S. 78.
[8] Vgl. Grasskamp 2002, S. 18 f.
Abb.:
1. Schreiben Max I. Joseph vom 31.12.1823, Akte Kunstverein München 1823, Nr. 21. Abschrift:
M. I. K,
Wir haben von dem Uns mittels anliegender Vorstellung vom 13. Dezember d. J. vorgelegten Plan und den Grundzügen eines Vereins der Künstler und Kunstfreunde Einsicht nehmen lassen, und können nach Erwägung aller Verhältnisse der Bitte um Gestattung der Einrichtung eines solchen Vereins in der vorgeschlagenen Ausdehnung und mit den desiderierten Prärogativen Unsere Genehmigung nicht ertheilen, indem wir den Künstlern und Kunstfreunden in der Akademie der bildenden Künste einen allgemeinen Vereinigungspunkt bereits gegeben, und in den Bestimmungen des Art: XXII XXIII u. XXX ihrer Verfassungs Urk. Vom 13. Mai 1808 sowohl den Weg zur Erreichung des auch von dem Verein sich vorgestekten Zweckes vorgezeichnet, als auch diejenigen, welche in dieser Weise Unsere wohlmeinenden Absichten bevördern helfen, die ihnen gebührende Auszeichnung gesichert haben, von deren Theilnahme Wir keinen würdigen Bewerber auszuschliessen gemeint sind. Uebrigens sind wir einer Privatvereinigung der Künstler und Kunstfreunde sowohl zur Sicherung unter sich, und zum Austausch ihrer Meinungen und Ansichten als auch zur Erreichung gesellschaftlicher Vortheile mit Beschränkung auf hiesige Stadt gegen freiwillige Beiträge oder Leistungen der hier lebenden Vereinsglieder und unter den gewöhnlichen Bedingungen nicht entgegen und weisen Unsere Regierung an dem Verein wenn er in dieser Art sich bildet, nach Einsichtnahme seiner Statuten den erforderlichen Schutz gleich anderen gebilligten Privatgesellschaften angedeihen zu lassen.
Hiernach ist das Geeignete zu verfügen.
München den 31. Dezember 1823
Max Joseph
Gr. V. Thürheim auf kgl. Allerhöchsten Befehl
an den General Sekretär
Ae. V. Kobel
2. Ansicht des Kunstvereinsgebäudes von Eduard von Riedel im Hofgarten, erbaut 1865, Copyright Bayerische Staatsbibliothek München.
3. August von Voit, Glasplalast München, Fotografie, 1854, Copyright Bildarchiv Foto Marburg.