September 2024
Key Operators
Weben und Coding als Mittel feministischer Geschichtsschreibung / Weaving and coding as languages of feminist historiography
7. September – 24. November 2024 / September 7 – November 24, 2024
Eröffnung: Freitag, 6. September, 19–22 Uhr /
Opening: Friday, September 6, 7–10pm
Ausstellung mit / Exhibition with Elsi Giauque, Johanna Gonschorek, Michèle Graf & Selina Grüter, Pati Hill, Charlotte Johannesson, Lotus L. Kang, Alison Knowles, Beryl Korot, James Tilly Matthews, Katrin Mayer, Johannes Porsch, Radical Software, Bea Schlingelhoff, Marilou Schultz, Johanna Schütz-Wolff, Iris Touliatou
Veranstaltungsprogramm mit / Program of events with Claire L. Evans, Lynn Hershman Leeson, Sadie Plant, Johannes Porsch
DE
Die Ausstellung und das Veranstaltungsprogramm fokussieren die Verknüpfung von weiblicher Arbeit und technologischem Fortschritt. Die Systeme, die dem Weben und Programmieren eingeschrieben sind, dienen dabei als Ausgangspunkt, um alternative Betrachtungsweisen von Geschlecht und Arbeit zu entwerfen. Key Operators versammelt generationenübergreifende künstlerische Positionen – und damit neu konzipierte sowie historische Beiträge –, die sich auf konkreter wie metaphorischer Ebene mit dem Begriff des Webens und seiner Bedeutung für die Entwicklung der Computertechnologie auseinandersetzen.
Der Computer ist mit der Geschichte des Textils verbunden, seitdem das Weben im Zuge der Industrialisierung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert eine „programmierte“ Herstellungsweise wurde. Die Mathematikerin Ada Lovelace nimmt hierbei eine wegweisende Position ein. Sie erkannte das rechnerische Potenzial der in automatisierten Jacquard-Webstühlen verwendeten Lochkarten und übertrug ihr System (Loch / kein Loch) in einen Code aus Nullen und Einsen. Wie kommt es also, dass bis heute Weben eher als „weibliche“ Tätigkeit, Coding dagegen als „männliches“ Tätigkeitsfeld wahrgenommen wird? In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die historisch bedeutende Rolle, die Frauen und ihre Arbeit bei der Entwicklung von Computertechnologie spielten, oftmals vergessen oder an die Ränder der Geschichte verfrachtet wird.
Der Titel des Projekts leitet sich von einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ab: Als Kopierer in den späten 1940er Jahren in Büros eingeführt wurden, durften sie nur von ausgebildeten „key operators“ bedient werden. Aufgaben im Zusammenhang mit den Maschinen galten als niedere Büroarbeit und wurden in der Regel Frauen zugewiesen. „Key“ liest sich auch als zentrale Figur, wodurch die Rolle von Frauen sowohl bei der Etablierung der Weberei als eigenständige Kunstform als auch bei der Entwicklung der Computertechnologie betont wird; „key“ auch als Taste am Computer oder als Pedal eines Webstuhls. Die künstlerischen und theoretischen Beiträge in Key Operators begreifen Weben und Coding als kritische Metaphern. In diesem Zusammenhang werden Webstuhl und Computer gewissermaßen als Verbündete betrachtet, um die Ränder der Geschichte zu betrachten, die oftmals die Voraussetzungen für ihre Schreibung schaffen.
EN
The exhibition and its program of events focus on the links between feminized labor, technological advancements, and their associated languages. The systems inscribed in weaving and coding serve as a point of departure for devising alternative ways of looking at gender and work. Key Operators brings together an intergenerational group of artists—encompassing newly conceived as well as historical works—that engage with the concept of weaving and its significance for technological developments, both metaphorically and structurally.
The technological histories of computing and textile weaving have been connected since the industrial revolutions of the late eighteenth and early nineteenth century. The pioneering mathematician Ada Lovelace occupies a special place within this interwoven history as one of the early figures to recognize the computational potential of the punch card system used in automated Jacquard looms, which was a physical medium of binary code: a hole was 1, a blank was 0. Nevertheless, the significant role that women and their work played in the development of computer technology often remains forgotten or sidelined. In this context, we must ask why weaving is still perceived as a “feminine” activity and coding as something “masculine”?
The project’s title is derived from a gendered division of labor: when photocopiers were introduced in offices in the late 1940s, only trained “key operators” were allowed to use them. Tasks associated with the machines were considered menial office work and typically assigned to women. Yet, the title also offers other readings: “key” as a central figure, emphasizing the role of women in both the establishment of weaving as an independent art form and in the development of computer technology; “key” as a computer key or a loom pedal. The artistic and theoretical contributions featured in Key Operators employ weaving and coding as critical metaphors to scout the peripheries of official historiography for its absences. In this sense, the loom and the computer are conceived as allies in the examination of history’s sidelines, which so often provide the conditions for its writing.
Schaufenster am Hofgarten & online
Nicole-Antonia Spagnola
Street Nuisance
7. September – 3. November 2024 / September 7 – November 3, 2024
DE
Street Nuisance ist eine neu konzipierte Videoarbeit von Nicole-Antonia Spagnola, die im Rahmen der Onsite- und Online-Serie Schaufenster gezeigt wird. Das Video ist inspiriert von dem gleichnamigen Text von Charles Babbage aus dem Jahr 1864. Babbage, der vor allem für seine Erfindungen im Zusammenhang mit Computertechnologie bekannt ist, erlangte auch durch seinen satirisch leidenschaftlichen Kampf gegen Lärmbelästigung durch Straßenmusiker*innen im London des 19. Jahrhunderts Berühmtheit, als er sich obsessiv für Ruhe als Bürgerrecht einsetzte. Ausgehend von dieser Prämisse lässt Spagnola in ihrer neuen Arbeit eine Straßenkünstlerin in Endlosschleife auftreten. Das Video erprobt eine Reihe archetypischer Figuren – den Hippie, den Kalifornier, den Rocker – und greift den Charakter des*r Kinderstraßenmusikant*in aus Spagnolas früheren Arbeiten auf, um über die systematische Abschaffung von gemeinschaftlichen Erfahrungen und überholte Versprechen der beruflichen Selbstständigkeit nachzudenken.
EN
Street Nuisance is a newly conceived video by Nicole-Antonia Spagnola, on view as part of the onsite and online series Schaufenster. The work is inspired by a text of the same name, written by Charles Babbage in 1864. Better known for his computational inventions, Babbage also rose to prominence for his satirically obsessive battle against noise pollution from buskers in nineteenth-century London, advocating for silence as a civic right. Departing from this premise, Spagnola’s new work installs a street performer on loop. The video rehearses a series of outmoded archetypes—the hippie, the Californian, the rocker—and reprises the child busker character from her earlier works to reflect on the antiquated promise of self-reliance and the systematic elimination of shared experience.