Geschichte
Der Kunstverein ist mit über 2.000 Mitgliedern eine der größten Institutionen ihrer Art in Deutschland. Mit seinen Räumen in den historischen Arkaden des Hofgartens stellt der Verein seit seiner Gründung im Jahr 1823 nicht nur einen wesentlichen Bestandteil der Münchner Kunstszene dar, sondern verhandelt kontinuierlich durch seine progressiven öffentlichen Formate wichtige Fragestellungen und Diskurse zur zeitgenössischen Kunst auf internationaler Ebene.
Ursprünglich in Konkurrenz zur „Königlichen Akademie der Bildenden Künste“ ins Leben gerufen, diente der Kunstverein München seinem Gründungsgedanken gemäß zunächst als Form und Forum der Selbstorganisation einer neu entstehenden bürgerlichen Öffentlichkeit, die im frühen 19. Jahrhundert nicht nur politisches, sondern auch kulturelles Neuland erschloss. Kunstvereine waren demnach nicht nur Orte der Präsentation von zeitgenössischer Kunst, sondern auch des gesellschaftlichen Austauschs, an denen durch die aktive Auseinandersetzung mit Kunst ein kritisches Bewusstsein von „Zeitgenossenschaft“ entstehen konnte. Dieser zentrale Gedanke prägt die Arbeit des Münchner Kunstvereins auch heute noch – wenn auch unter veränderten politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen – und macht ihn zu einer unverzichtbaren Kraft im internationalen Netzwerk kultureller Institutionen.
Als städtisch geförderter Verein in privater Trägerschaft agiert der Kunstverein München in relativer Unabhängigkeit sowohl von unmittelbar ökonomischen wie auch (kultur-)politischen Interessen. Diese doppelte Autonomie prädestiniert ihn als Ort des künstlerischen Experiments, in dem wegweisende kuratorische Arbeit geleistet werden kann. Dies hat der Kunstverein in den letzten Jahren durch den engen und langfristigen Dialog mit Künstler*innen und durch die Unterstützung neuer künstlerischer Produktionen verfolgt. Eine kollaborative und nachhaltige Form des Ausstellungsmachens rückte ebenfalls zunehmend in den Fokus und führte zu Ko-Produktionen unterschiedlicher Ausstellungen und Publikationen mit u. a. dem Haus der Kunst München, der Kunsthalle Zürich, dem Frac Lorraine (Metz), White Columns (New York), der Klosterruine Berlin, der Halle für Kunst Steiermark (Graz), dem Neuen Essener Kunstverein, dem S.M.A.K. (Gent), dem Museo Tamayo (Mexico City), dem CAC (Vilnius), dem Andy Warhol Museum (Pittsburgh), tranzit.sk (Bratislava), CASCO (Utrecht), dem ICA (London) und dem Whitney Museum of American Art (New York).
Neben der Ausstellungs- und Publikationstätigkeit des Kunstverein München ist die Archivarbeit seit dem Antritt der Direktorin Maurin Dietrich und der Kuratorin Gloria Hasnay im Jahr 2019 ein zentraler kuratorischer Bestandteil der Institution. Wenig später, im Jahr 2020, eröffnete der von Julian Göthe gestaltete Archivraum, welcher der Verhandlung und Aufbewahrung der nun über 200-jährigen Geschichte des Kunstvereins einen konkreten Ort gibt. Innerhalb der Archivarbeit unterzieht sich die Institution einer kritischen Reflexion der eigenen Geschichte und ihren Leerstellen, wobei ein Forschungsfokus auf der Aufarbeitung der NS-Geschichte liegt, die mit Hilfe von Historiker*innen und Kulturwissenschaftler*innen kontextualisiert wird. Christian Fuhrmeister geht in seinem Text Der Kunstverein München im Nationalsozialismus. Was fragen, wie forschen?, abgedruckt im Jubiläumskatalog FOR NOW. 200 Jahre Kunstverein München (2023), auf die Komplexität eines solchen Bestrebens ein. Das Gespräch zwischen der Theoretikerin Doreen Mende, Maurin Dietrich und Gloria Hasnay The Archive as ... a Recording Device, das in der selben Publikation erschienen ist, gibt außerdem einen vertiefenden Einblick in das Verständnis der kuratorischen sowie archivarischen Praxis am Kunstverein.
Der Kunstverein München folgt der Überzeugung, dass das Medium der Kunst einen Reflexionspunkt aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen darstellt und als idealer Katalysator einer kritischen Zeitgenossenschaft fungieren kann. International orientiert, mit Blick auf den lokalen Kontext, diskutiert der Kunstverein München seine programmatische Linie in unterschiedlichsten Formaten und schafft mit regelmäßigen Ausstellungen, Vorträgen, Künstler*innengesprächen, Symposien, Filmvorführungen, Kunstreisen und Publikationen einen lebendigen und streitbaren Ort der Präsentation und Vermittlung zeitgenössischer Kunst.
Direktor*innen
1970–1971 Reiner Kallhardt
1971–1975 Haimo Liebich
1975–1977 Hans Joachim Grollmann
1978–1985 Wolfgang Jean Stock
1986–1991 Zdenek Felix
1992–1995 Helmut Draxler
1996–2001 Dirk Snauwaert
2002–2004 Maria Lind
2004–2009 Stefan Kalmár
2010–2015 Bart van der Heide
2015–2019 Chris Fitzpatrick
seit 2019 Maurin Dietrich
Kurator*innen
1992–1996 Hedwig Saxenhuber
1996–2001 Heike Ander
2002–2004 Søren Grammel
2005–2009 Daniel Pies
2012–2015 Saim Demircan
2016–2019 Post Brothers
seit 2019 Gloria Hasnay
[1] Arkaden 1955, Courtesy Bayerische Staatsbibliothek. Foto: Felicitas Timpe (timp-009367).
[2] Friedrich Thiersch, Perspektivischer Schnitt zu dem Umbauprojekt für das Kunstvereinsgebäude in München, Mai 1890. Courtesy Architekturmuseum der TU München.
[3] Friedrich Thiersch, Oberlicht - Saal (Perspektive), Umbauprojekt für das Kunstvereinsgebäude in München 1889–99. Courtesy Architekturmuseum der TU München.
[4] Galeriestraße, Blick vom Hofgartenparterre auf Kunstvereinsgebäude, dahinter Turm des Hofgartenbrunnhauses, 1924. Courtesy Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-PETT1-1039).
[5] Galeriestraße, 1935. Courtesy Stadtarchiv München (DE-1992-FS-NL-PETT1-1037).
[6] Mitgliederversammlung 1971. Courtesy Kunstverein München e.V.; Foto: Branko Senjor.
[7] Installationsansicht „Eintritt“ von Apolonija Šušteršič im Kunstverein München e.V., 2002. Courtesy Kunstverein München e.V.
[8] Arkadendinner 2019, Courtesy Kunstverein München e.V. Foto: Margarita Platis.