Eva Fàbregas
Those things that your fingers can tell
9. Februar – 5. Mai 2019
Der Kunstverein München zeigt vom 9. Februar bis 5. Mai 2019 die Einzelausstellung Those things that your fingers can tell mit neuen Skulpturen und Installationen von Eva Fàbregas.
In ihren Arbeiten beschäftigt sich Fàbregas vornehmlich mit Formen somatischen Experimentierens, wobei sie die Erotik von Konsumobjekten, das Social Engineering von Begierden und die verschiedenen Kulturen erforscht, die im Zusammenhang stehen mit den Konzepten „Wellness“, „Therapie“ und „gesteigerte Empfindungen“. Ihre aktuelle Arbeit befasst sich mit all den Objekten, Werkzeugen und Instrumenten, die mit, für und auf unsere Körper (ein)wirken, entweder um sensorische Effekte zu generieren (Lust, Entspannung, Therapie, Euphorie, etc.), um unsere Körperhaltung zu korrigieren, unsere Körper zu disziplinieren, oder um sogar Teil von ihnen zu werden. Als ein visuelles Glossar für diese Untersuchung zeigt Fàbregas eine gewaltige Zeichnung, die sich über drei Wände erstreckt und von Formen bevölkert ist, welche auf die große Vielfalt von therapeutischen, prothetischen, ergonomischen und erotischen Instrumenten mit stimulierender Wirkung anspielen. Jedes dieser Gebilde bezieht sich auf Produkte, die den Körper formen – oder von ihm geformt werden –, womit implizit Bezug genommen wird auf die Art und Weise, wie unsere Körper, Begierden, Erfahrungen und Affekte von den politischen Strategien des industriellen Designs ge- und verformt werden. Indem die Künstlerin diese Kosmologie der Objekte klassifiziert und deren Repräsentationen zu amorphen Symbolen reduziert, stellt sie eine Genealogie affektiver Objekte mittels ihrer morphologischen Gemeinsamkeiten heraus, während sie gleichzeitig die Möglichkeit ihrer Transformation anregt.
Diese Verweigerung von festen Formen und Beziehungen, die ihr ganzes Werk durchzieht, erinnert an Sergei Eisensteins Darstellung von frühen Cartoons, die eine unendliche Formenvielfalt und -flexibilität aufweisen und die polyformen Möglichkeiten von Instabilität, Formeninkonsistenz und der Fluidität und Schlagartigkeit der Formenfindung zelebrieren. In der Welt der Cartoons sind alle Wesen Teil eines Kontinuums unablässig animierter Materie, die viele Gestalten und Formen annehmen kann. Der Filmemacher nannte dieses Prinzip „Plasmazität“, in Anlehnung an die Omnipotenz von Plasma, das in seiner „flüssigen“ Form alle Möglichkeiten von zukünftigen Arten und Formen birgt. In ihren Werken wendet Fàbregas diese Logik auf die Bereiche der materiellen Objekte und physischen Erfahrungen an, wodurch sie Subjekt und Objekt auf ein gleiches Erfahrungsniveau stellt. Dadurch belebt die Ausstellung das Unbelebte und öffnet sich der Möglichkeit, dass sich scheinbar stabile Strukturen unerwartet verändern und ein Verlangen lenken können. Andernorts wird Objekten, die normalerweise als reglos und als pure Ergänzungen betrachtet werden, ein unheimliches Empfindungsvermögen zugeschrieben, wo industrielle Verpackungsmaterialien sich nicht länger nach den Bedürfnissen der Menschen richten, sondern anhand ihrer eigenen ungewissen Logik eigene Wege beschreiten. Dann wiederum ermöglichen Veränderungen des Materials und der Größe eine Neubewertung von gewöhnlichen orthopädischen und therapeutischen Geräten wie Ohrenstöpsel, kieferorthopädischen Zahnspangen und einer Nasenklammer, womit erneut das wechselseitige Zusammenspiel und die gegenseitige Veränderlichkeit von Technologie und Körper vor Augen geführt werden. Während diese Formen praktischen Zwecken dienen, erzeugt jede einzelne von ihnen intime Berührungspunkte, die dem Wesen nach erotischer Natur sind und die sich abspielen durch Wellen gegenseitiger Annäherung, Anziehung, Abstoßung, Disziplin, Macht, Kontrolle und gegenseitigen Widerstands.
Das Hauptwerk der Ausstellung ist eine groß angelegte, immersive 8-Kanal Soundinstallation, die aus drei bauchigen und strukturierten „Inflatables“ besteht, welche mit Meshgewebe umspannt. Verworrene Ranken aus medizinischen Schläuchen sind an die gigantischen, verdrehten Röhren angebracht. Das Ganze ist mit einem Soundverstärker verbunden, der nicht nur die Materialität der Skulpturen zum Leben erweckt, sondern sie auch zu widerhallenden Membranen transformiert. Die jamaikanischen Produzenten für elektronische Musik, Equiknoxx, haben eigens für diese Installation einen Soundtrack produziert, der auf die Themen der Ausstellung Bezug nimmt mittels ihrer idiosynkratischen Verwendung von kakophonischen Samples, elastischen Dancehall ‚Riddims‘ und einer gewaltigen Sub-Bass Dub Produktion. Indem diese Installation Eigenheiten des taktilen Klangs, einer akustisch-taktilen Synästhesie und der Psychoakustik einsetzt, regt sie veränderte Bewusstseinszustände und ein verändertes Körperbewusstsein an, indem der Akt des Zuhörens auf den Bereich der Haut und der Knochen, der taktilen Sphäre, übertragen wird. Ähnlich zu pulsierenden Geräten in der Physiotherapie oder einem Soundsystem in einem Club ermöglicht es die Installation dem Beat, verschiedene Körper und Formen von Materie zu ergreifen und zu umspannen, wodurch materielle Kommunikation und Interaktion zwischen sehr unterschiedlichen Wesen, menschlich und nicht-menschlich, ermöglicht wird, und wodurch räumliche und somatische Effekte ausgelöst werden.
Those things that your fingers can tell ist, mit anderen Worten, ein gewundener Parcours aus vibrierender Prothetik, in dem sich die verschiedenen Sinne kontinuiertlich wechselseitig reizen und Affekte auslösen in dem die Relationen zwischen lebenden und nicht-lebenden Wesen immer wieder neu definiert werden, in dem Wissen mehr gefühlt als gedacht wird und in dem sich der/die BetrachterIn in einem sehnsüchtigen Zustand nach körperlicher Erfahrung wiederfindet.
Die Ausstellung von Eva Fàbregas wurde realisiert mit Unterstützung des Kulturreferats München, der Mitglieder des Kunstvereins München und der Acción Cultural Española (AC/E), durch das Programm für die Internationalisation of Spanish Culture (PICE), im Rahmen des Mobility Grant. Außerdem wurde die Produktion der Werke durch die La Caixa Banking Foundation unterstützt.
Installationsansichten: Eva Fàbregas, Those things that your fingers can tell, 2019. Courtesy Kunstverein München e.V. und Eva Fàbregas.
Video: Eva Fàbregas, Pumping, 2019. Soundtrack produziert von Equiknoxx. 8-Kanal-Mix von Chris Fitzpatrick. Soundinstallation konzipiert mit Sabel Gavaldon. Gefilmt und geschnitten von Saulius Petrosius. Courtesy Kunstverein München e.V., Eva Fàbregas und Saulius Petrosius.