Willem de Rooij
Untilted
19. Februar – 15. April 2012
Die bisherigen Arbeiten des niederländischen Künstlers Willem de Rooij (geb. 1969 in Beverwijk) zeichnen sich ebenso durch ihre Abneigung gegenüber visuellen Bezügen aus wie durch ihre Abhängigkeit von diesen. Dieser Zwiespalt zeigt sich bereits in dem frühen Film Mandarin Ducks,den Willem de Rooij zusammen mit seinem damaligen künstlerischen Partner Jeroen de Rijke für den niederländischen Pavillon auf der Biennale von Venedig 2005 produziert hat. In diesem Film werden die Möglichkeiten der „Referentialität“ auf den Prüfstand gestellt, indem ausprobiert wird, wie viele Bezüge tatsächlich in ein Werk integriert werden können. Dazu führt Willem de Rooij aus: „Wir wollten das machen, weil uns die Tatsache fasziniert hat, um uns herum so viele Arbeiten zu sehen, die offensichtlich sehr stark mit Referenzen arbeiteten und sich durch solche Bezüge auf irgendwelche anderen interessanten Sachen legitimierten – egal, ob es sich dabei um Kunstwerke oder um sonstige kulturelle Bezugspunkte handelte.“[1]
In diesem Zusammenhang sei auf das Manuskript von Tom Holerts unveröffentlichtem VortragDas interessierte mich ... – Interesse und Intuition im Kunstdiskursvon 2008 verwiesen, in dem er die Anfänge jener Entwicklung untersucht, in der die „interessanten Sachen“, auf die sich ein Kunstwerk bezieht, zum absolut maßgeblichen Faktor wurden. Am Beispiel einer historischen Auseinandersetzung (zwischen dem modernistischen Kunstkritiker Michael Fried und den Künstlern der Minimal Art der 1960er Jahre) zeigt Holert die Bedeutung auf, die den „künstlerischen Interessen“ als kritische Antwort auf die konventionelle Ideologie des Modernismus zukam. Symptomatisch erscheint Holert dabei die wachsende Verbreitung von Künstlerinterviews, anhand derer er darlegt, wie sehr die Persönlichkeit und die Interessen eines Künstlers zum Kriterium der künstlerischen Qualität des jeweiligen Werks avancierten. Damit wird die Auffassung der modernistisch geprägten Kritik verkehrt, die von einem Kunstwerk forderte, es müsse ganz und gar um seiner selbst willen und aus sich heraus überzeugend sein und dürfe kein in irgendeiner Form nach außen gerichtetes „Interesse“ hervorrufen.
[1] Total Visibility (Ein Gespräch zwischen Jeff Wall und Willem de Rooij im Rahmen des Seminars Rotterdam Dialogues: The Artists, April 2009), in: Rotterdam Dialogues: The Critics, The Curators, The Artists, Witte de With Center for Contemporary Art Rotterdam, Rotterdam, 2012, S. 156.
Tom Holert
„Das interessierte mich ...“ – Interesse und Intuition im Kunstdiskurs*
Vortrag (in englischer Sprache), gehalten am 3. Juni 2008 anlässlich der vom ZfL (Zentrum für Literatur und Kulturwissenschaften, Berlin) organisierten Veranstaltung „Figurations of Knowledge. European Conference of the Society for Literature, Science and the Arts (SLSA)“
„Wie kommt es, dass etwas mein Interesse
erweckt? Dass ich mich mit etwas
beschäftige, dass ich mich einer Sache
zuwende, dass ich mir eine Aufgabe stelle?
Was ist im praktischen sowohl als im
theoretischen Leben der Sinn der Aussage,
‚das interessiert mich‘?“[1]
1.
Mich interessiert in diesem Text die Frage nach der Bedeutung, die einer Aussage innerhalb eines Begriffsapparats zukommt, die, so scheint es, im Diskurs über zeitgenössische Kunst nahezu inflationäre Verbreitung erfahren hat – vor allem bei Künstler_innen selbst. Ich interessiere mich für die Vorstellung dessen, was man mit dem vorläufigen Begriff des „künstlerischen Interesses“ versehen könnte. Damit meine ich eben jenes Interesse, das beschworen wird, wenn eine Künstlerin/ein Künstler über ihre/seine Interessen spricht oder schreibt, um zu verdeutlichen, bis zu welchem Grad diese Interessen maßgeblich für die Struktur oder die Entstehung eines einzelnen Werks oder eines ganzen Werkkomplexes waren. Ich möchte daher versuchen, die Aussage „Ich interessiere mich für...“ zum einen in der Geschichte des Diskurses über moderne und zeitgenössische Kunst zu verorten, zum anderen aber auch in der übergeordneten historischen Bedeutung des Begriffs „Interesse“.
Installationsansichten: Willem de Rooij, Untilted, Kunstverein München, 2012. Courtesy Kunstverein München e.V., Fotos: Ulrich Gebert