Tobias Madison
Do it to do it
25. September – 21. November 2010
Der Kunstverein München freut sich, die erste umfangreiche Einzelausstellung des aufstrebenden Künstlers Tobias Madison (geb. 1985, Basel) zu zeigen.
Die Ausstellung im Kunstverein München bietet den Betrachter*innen einen Einblick in Madisons vielseitiges Werk, seine unterschiedlichen Arbeitsweisen und Produktionsprozesse, innerhalb derer Design und Lifestyle mit künstlerischer Identität verschmelzen.
Tobias Madison steht stellvertretend für seine Generation, indem er als Fadenzieher und Hauptakteur vieler künstlerischer und intellektueller Kollaborationen innerhalb der Schweiz und über ihre Grenzen hinaus fungiert. Seine Interessen manifestieren sich in einer Bandbreite verschiedenster Projekte, beispielsweise ist er Mitbegründer des Baseler Ausstellungsraums New Jerseyy (Daniel Baumann, Emanuel Rossetti und Dan Solbach) und gründete 2009 zusammen mit Emanuel Rossetti und Martin Jaeggi das Ettore Sottsass Museum, dessen Ziel es ist, eine Sammlung von Objekten und Informationen von und um den Memphis-Designer Ettore Sottsass zu etablieren, zu präsentieren und zu vermitteln.
In seiner Arbeit Yes I Can! The Movie: A Preview kombiniert Madison übermalte Flaggen und einen Kurzfilm aus dem Jahr 2009, der die Reise des Künstlers von der Schweiz nach Hong Kong dokumentiert. Madison nahm den Slogan der Werbebanner der Hotelkette Radisson: „Yes I Can!“ beim Wort, entfernte die Banner in den Hotels auf seinem Weg und beauftragte befreundete Künstler die gesammelten Flaggen in den Farben der Firmen zu bemalen, die den Tripp finanziell unterstützt hatten. Yes I Can! wird so zum Slogan eines selbstregierten Kapitalismus, in dem die involvierten Parteien die Regeln selbst festlegen und zu jedem Zeitpunkt verändern können.
Die Ausstellung im Kunstverein München wird nicht im klassischen Sinne als Einzelausstellung kuratiert, sondern wird vielmehr den diversen Produktionsstrategien und Akteuren Madisons Schaffens Rechnung tragen und in der Manier einer Gruppenausstellung präsentieren.
Man könnte die historische Entwicklung der Avantgarde als einen stetigen Zuwachsan denkbaren Wirtschaftsmodellen interpretieren. Es sind Strategien, die von den konventionellen „Sparten“ Geschmack und ästhetisches Urteil ablenken und zu einem erweiterten Wertbegriff führen. Die Avantgarde hat uns verdeutlicht, dass das Bestreben, den ästhetischen Geschmack zu verändern oder zu unterlaufen, nicht zwangsläufig in ein bedeutendes Kunstwerk mündet. Um das zu erreichen, muss man einen neuen Umgang mit Geschmacksfragen entwickeln. Denn selbst die zunehmende Dematerialisierung in der Kunstproduktion der Konzeptkünstler der 1960er Jahre konnte dem Schicksal einer Markenbildung nicht entkommen, nachdem ihren Strategien nachträglich der Stempel aufgedrückt worden war, sie stellten die Wirtschaft des ästhetischen Kapitals in Frage und bestätigten es.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nur logisch, seine Aufmerksamkeit von der Herstellung der materiellen Objekte auf das zu richten, was uns sofort in seinen Bann zieht – den Wert. Dies gilt umso mehr, nachdem alle klassischen Medien ihre historischen Merkmale zugunsten einer sich stets erweiternden, grenzenlosen Spielwiese der „bildenden Künste“ vermengt haben. Zu erkennen, wie Marktstrategien funktionieren (in intellektueller wie kultureller Hinsicht), ist zu einem entscheidenden Kriterium geworden, um die künstlerische Praxis als Kunst zu visualisieren. Ein Kunstwerk von heute macht aber nicht nur den Qualitätsanspruch von Handelsstrukturen kenntlich, es ist auch selbst zu einer geworden. Ein Blick auf die heutige Kunstproduktion belegt, dass der Wert eines Werks von allerlei anderen Qualitätskriterien begleitet wird, die weit hergeholt sein können, sich beständig verändern oder zufällig entstehen, wozu etwa der institutionelle Kontext oder die persönlichen Interessen des Künstlers zählen.
Angesichts dessen scheinen die Werke des Schweizer Künstlers Tobias Madison eine Fortführung der Avantgarde zu sein, die mit Methoden aus dem Unternehmenssektor vermischt werden, um zu Autarkie und kreativer Unabhängigkeit zu gelangen. Seine zahlreichen Kollaborationen bilden dabei im Kleinen einen Kontext, der vom intellektuellen wie materiellen Austausch handelt und es darüber hinaus seiner künstlerischen Produktion ermöglicht, beständig zu neuen Herstellungswegen sowie Qualitätsfestlegungen zu kommen. Dadurch gelingt es Madison, innerhalb der gegenwärtigen Kunstproduktion und der kulturellen Konventionen, die im Hinblick auf den Geschmack, den Wert und den Nutzen bestehen, eine spannungsgeladene Vielschichtigkeit zu entdecken.
Im Vorfeld der Ausstellung Do it to do it traf sich Bart van der Heide mit Tobias Madison, um mit ihm über künstlerische Zusammenarbeit, Verführung und künstlerische Werte zu sprechen.
Interview von Bart van der Heide mit Tobias Madison, Juli 2010:
Bart: Tobias, in deiner Arbeit finden sich häufig Kollaborationen. Wir kommen gerade aus dem Atelier des Künstlers und Sammlers Ruedi Bechtler, mit dem du derzeit eine Arbeit machst. Kannst du mir kurz erzählen, wie es zu dieser Zusammenarbeit kam und warum sie für dich so wichtig ist?
Tobias: Na ja, das begann eigentlich eher zufällig, nämlich damit, dass Ruedi Bechtler eine Arbeit von mir kaufte, die ich für den Prototypen eines Tisches von Ettore Sottsass von 1987 im Oktober 2009 gemacht hatte. Da das Ensemble von Sottsass eine Vase beinhaltete, fanden wir uns schließlich beim gemeinsamen Vasenkauf wieder und erwarben letztlich sechs zerbrochene.
Sobald diese zerbrochenen Vasen in Bechtlers Atelier restauriert sind, wird ein Profifotograf die verschiedenen Details und Ansichten dieser Artefakte festhalten, wobei noch ein weiterer Memphis-Tisch dazukommen wird (der ursprüngliche Prototyp war nicht Bestandteil dieser Arbeit). Wir werden Hightech-Passepartouts schneiden, die den Umrisslinien dieser Objekte folgen und sie in verchromten Boxen zeigen, die wie ein Rahmen funktionieren. Man könnte also sagen, dass wir uns dazu entschlossen haben, sie als erweiterte Designobjekte wieder in die Produktionskette zurückzuführen.
Für mich ist diese spezielle Zusammenarbeit (eigentlich aber jede Zusammenarbeit) so interessant, weil sie einen neuen, komplexen Kontext bietet, innerhalb dessen ein Objekt produziert oder reproduziert werden kann. In diesem Kontext kann man auch irrationale Methoden ausprobieren, ohne dass die Legitimität der Produktion in Frage gestellt wäre. Ich befinde mich dabei in der Position, weder etwas zu kritisieren noch etwas zu behaupten, sondern einfach zu versuchen, eine bestimmte Sprache zu sprechen, die aber besser zu sprechen.
Im Falle der gegenwärtigen Zusammenarbeit mit Bechtler hat sich die Chance ergeben, mit jemandem zu arbeiten, der engagiert und interessiert ist. Außerdem ergab sich so die Möglichkeit, mit originalen Objekten von Sottsass zu arbeiten. Denn auch wenn Sottsass nicht im Engeren zu meinen Bezugspunkten zählt, ist seine Herangehensweise im Hinblick auf die Machart, das Design und die Produktion der Objekte ein wichtiger Aspekt zum Verständnis zeitgenössischen Produzierens.