Heimo Zobernig
28. August – 10. Oktober 1999
PUBLIKATION
Die präzisen Eingriffe des österreichischen Künstlers Heimo Zobernig (geb. 1958 in Mauthen, lebt in Wien) in das "System Kunst" kennzeichnet eine formal wie ästhetisch äußerst reduzierte Ökonomie. Sein Formenrepertoire ist von äußerster Klarheit, Zurückhaltung, aber auch Selbstironie geprägt. Zobernig wählt hierbei aus dem breiten Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen jeweils das für ihn am besten geeignete Medium, sei es Malerei, Skulptur, Architektur, Installation oder Video.
In seiner Ausstellung im Kunstverein München zeigt Heimo Zobernig - unter anderen - zwei Arbeiten, die sich auf vorangegangene Werke beziehen und diese rekonstruieren. Zum einen greift er dabei zurück auf seinen partiellen Umbau des Kunstvereins München 1992, den er nun 1999 in permutierter Form wiederholt, und zum anderen auf ein Symposium von 1991 in der Villa Arson, Nizza, das er mittels der Texte, die anläßlich dieser Veranstaltung entstanden sind, wiederaufführt‚ und damit einer aktuellen Untersuchung unterzieht.
Eingeladen zu einer Veranstaltungsreihe 1992, die Auftakt zum Programm des vormaligen Direktors des Kunstvereins und langjährigen Mitstreiter Zobernigs Helmut Draxler war, baute der Künstler - aus seiner Rolle des Beobachters, der die gesellschaftlichen und räumlichen Bedingungen des »System Kunst« wahrnimmt und analysiert - das repräsentative Ambiente des Eingangsbereichs des Kunstvereins im Hinblick auf seine Funktionalität und seine Rolle als sozialem Treffpunkt um: Die Pforte als Grenzmarkierung nach Außen wurde orange gestrichen, über der monumentalen Bar ein ebenso monumentaler Spiegel angebracht, der nun das traditionelle Ritual der Eröffnung verdoppelt und als Tafelbild abspeichert, sowie ein Bücherregal errichtet, das in postmodernistischem Stil der Funktion des Hauses als Informationspool Rechnung trägt. Weitergeführt wurde diese Umdeutung der Institution zu einem eher katalysatorischen Ort im Treppensaal der Ausstellungsräume in Form von zwei Informationstischen und einer Sitzbank. Diese Situation wird nun 1999 rekonstruiert und erweitert. Auch das Ausstellungsplakat von 1992 wurde nachgestaltet, doch außer dem Namen des Künstlers wurden alle Veranstaltungshinweise weggelassen.
Ein weiteres Element der Ausstellung, das auf ein additives Prinzip von Erfahrungen und Wissen zielt, ist die »Bibliographie der geometrisch-abstrakten Kunst«, von der eine Arbeitskopie auf einem der Informationstische ausliegt. In diesem Band werden die Bestände der größten deutschsprachigen Fachbibliotheken zum Bereich geometrisch-abstrakter Kunst zusammengeführt. Ziel ist es, eine möglichst vollständige Bibliographie des einzigen ästhetischen Programms zu erstellen, das sich auf eine universelle Verbreitung berufen kann, da es parallel zur weltweiten massiven Industrialisierung und radikalen Modernisierungswelle verlief.
Das Ineinsfallen der theatralen und räumlichen Aspekte der Ausstellungseinrichtung artikuliert Zobernig in zwei miteinander verbundenen Arbeiten: einem Videofilm, der sich auf das Modell des Experimentalfilms beruft, und einem Vortragssaal. Der Videofilm »Video/Kino«, 1999, verbindet den Bildschirm des Monitors mit einer monochromen schwarzen Leinwand im Vortragssaal. Ein Experimentalfilm von Ernst Schmidt jr. »Ja/Nein« von 1968, ist Teil dieses Videofilms.
Im Hauptsaal des Kunstvereins richtet Heimo Zobernig einen Konferenzraum ein, der wie eine Umkehrung der Kinosituation wirkt, doch hier ist die Leinwand schwarz und der Raum löst sich förmlich in Weiß auf. Im Gegensatz zu seiner Arbeit auf der documenta X, Kassel 1997, beschränkt er sich jedoch nicht auf die Ausstattung und Gestaltung, sondern macht die darin stattfindenden Veranstaltungen zum Teil seiner Arbeit.
Im Rückgriff auf ein Symposium, zu dem er 1991 anläßlich seiner Ausstellung in der Villa Arson, Nizza, KritikerInnen eingeladen hatte, die sich besonders intensiv mit seinem Werk auseinandergesetzt hatten - Christian Bernard, Martin Prinzhorn, Olivier Zahm, Ferdinand Schmatz, Isabelle Graw, Helmut Draxler und Frank Perrin – wird am Freitag, 17.09.1999, um 19 Uhr im Kunstverein ein Symposium stattfinden. Mit vereilten Rollen wird nun acht Jahre später aus den Texten gelesen, die anläßlich des Symposiums 1992 entstanden sind. Was geschieht, wenn man diese Texte in einer performativen Aufführung re-aktiviert – mit einer anderen Stimme und ohne die Autorität der Fachleute?
Im Kopfsaal der Ausstellungsräume befindet sich eine Installation mit vier primärfarbenen monochromen Bildern, Rot, Grün und zwei verschiedene Blautöne. Neben der Referenz auf Palermo und den Endpunkt der Malerei sind diese Bilder insofern auch funktional, indem sie bei Fernseh- oder Videoaufnahmen als Interface benutzt werden können, um zwei unterschiedliche Räume in der Montage miteinander zu überlagern. Das »blue box«-Prinzip, das Zobernig bereits in seinen UTV-Installationen einführte, erweitert er hier farblich, reduziert aber das räumliche Verhältnis auf das Tafelbild.
Im hinteren Saal befindet sich eine raumgreifende Installation mit Bildern aus Spiegelfolie. Architektonisch gesehen eine präzise Angabe der Grenzen der Ausstellungswände und der Position des Betrachters, schwebt die Installation zwischen Gegenständlichkeit des Materials und Repräsentation. Die Kategorien Malerei, Architektur und Design vermischen sich in der verschwommenen Spiegelung.
Das Auditorium wird im Rahmen der Ausstellung für eine Vortragsreihe über Fragen zeitgenössischer Kunst genutzt.
Samstag, 11. September
Peter Weibel – Zur Subgeschichte des Films
Dienstag, 21. September
Markus Brüderlin – Ornamentalisierung der Moderne. Zwischen Neo Geo und Kontextanalyse
Donnerstag, 23. September
Stephan Huber – Günther Saree. Einige Informationen zu einem vergessenen Künstler
Freitag, 01. Oktober
Birgit Hein – Ernst Schmidt jr.
Sonntag, 10. Oktober
Michael Hauffen – Abstraktion als System
In Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Bonn und der Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig, ist ein Katalog erschienen Kunst und Text, Ausstellungskatalog, 1998, hrsg. von Bonner Kunstverein, Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig, Kunstverein München, Texte von Annelle Pohlen, Jan Winkelmann, Dirk Snauwaert, 100 S., 10 s/w und 11 Farbabb.
Die Ausstellung entstand mit freundlicher Unterstützung der HypoKulturstiftung und der Bundesrepublik Österreich, Bundeskanzleramt, Sektion Kunst.
Installationsansichten: Heimo Zobernig, Kunstverein München, 1999. Courtesy Kunstverein München e.V., Fotos: Wilfied Petzi.