Gerhard Merz
Dove Sta Memoria
19. September – 26. Oktober 1986
Im September 1986 eröffnete die Ausstellung Dove Sta Memoria des Künstlers Gerhard Merz unter der neuen Leitung von Zdenek Felix. Den Hauptraum des Kunstvereins dominierten monumentale monochromen Farbflächen in dunklem Rot und hellem Blau. Im hinteren Raum stand eine überdimensionierte Opferschale – ein zentrales Kultobjekt der Nationalsozialisten, wie es etwa 1937 beim Gedenkzug für die gefallenen „Helden“ des Hitlerputsches von 1923 in München zum Einsatz kam – dem vergrößerten Titelbild der „Entartete Kunst“-Ausstellungskatalog kommentarlos gegenüber, welches eine Skulptur des 1943 im KZ Majdenik ermordeten Künstlers Otto Freundlich zeigte. Beim Titel der Ausstellung, aus dem Italienischen übersetzt mit „Wo ist Erinnerung?“, handelte es sich um ein Zitat des amerikanischen Dichters und Faschismusverehrers Ezra Pound. Die Ausstellung eröffnete in einem Moment, in dem das Thema der Relativierung von NS-Verbrechen bereits in deutschen Zeitungen verhandelt wurde: Im Juni desselben Jahres hatte der Historiker Ernst Nolte in einem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Vortrag die Frage gestellt, ob der Holocaust nicht als „asiatische Tat“ von den Bolschewiken provoziert wurde und damit den sogenannten Historikerstreit entfacht. Aufgrund der affirmativen Verwendung faschistischer Formensprache und Symbolik stieß Gerhard Merz’ Ausstellung auf starke öffentliche Ablehnung, u. a. in einer vom ehemaligen Kunstvereinsdirektor Wolfgang Jean Stock verfassten scharfen Kritik in der Süddeutschen Zeitung. Auch ließ die Literaturwissenschaftlerin und Buchhändlerin Rachel Salamander, damals Mitglied des Vorstands, bevor sie als Reaktion auf die Ausstellung die dortige Tätigkeit aufgab, den eigenen Namen mit Tippex aus dem Impressum aller Exemplare des bereits gedruckten Katalogs streichen.
1-4: Gerhard Merz, Dove Sta Memoria, 1986. Installationsansichten Kunstverein München e.V., 1986. Courtesy Kunstverein München e.V., Fotos: Ludwig Rinn.
5: Impressum des Katalogs der gleichnamigen Ausstellung, Dove Sta Memoria
Video:
Talkshow vom 17.10.2003 zum Thema der Ausstellung Dove Sta Memoria von Gerhard Merz, die 1986 am Kunstverein München stattfand.
Die Talkshow war ein Teil der Ausstellung Telling Histories, die 2003 im Kunstverein München stattfand. KünstlerInnen der Ausstellung: Liam Gillick und Mabe Bethônico.
Talkshowgäste: Klaus vom Bruch, Zdenek Felix, Martina Fuchs, Michaela Melian, Peter Strassl.
Idee und Moderation: Søren Grammel
Bühnendesign und Musik: Liam Gillick
Video: D. Vitec pro München
Aufnahmeregie: Antonio Guidi
Courtesy Søren Grammel.